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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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Notfall zu ihrer Mutter gehen, um sich einen Scheck über zehntausend Pfund abzuholen, die sie nicht zurückzahlen musste. Ja, ihre Eltern wären sogar hocherfreut gewesen, wenn sie um Hilfe gebeten hätte, und vor ein paar Jahren hatte sie genau das getan. Den Scheck, der sich auf mindestens fünftausend Pfund belief, reichte sie an eine palästinensische Flüchtlingsorganisation weiter. Zu ihrer Mutter sagte sie: »Aber anderen Leuten wird nicht einfach so Geld gegeben! Das trennt mich von ihnen. Warum hast du Angst vor der Gleichheit?«
    Henry und Lisa sprachen momentan kaum miteinander. Er war stets Sozialist gewesen, und da London auf vulgäre Art immer reicher wurde, rückte er noch weiter nach links, aber dafür hatte Lisa nur Hohn und Spott übrig. Sie hielt das für oberflächlich. Nach Sams Auszug war Henry schlecht drauf. Er wollte sich nicht eingestehen, dass der Junge nicht mehr zu ihm zurückkehren würde, und er verhinderte, dass er seine Sachen abholen konnte. Sam wollte seinen Computer und seinen iPod, doch als er vorbeikam, war alles weggesperrt worden, und Henry sagte, er bekomme die Sachen nur, wenn er wieder zu ihm ziehe. Der Junge weigerte sich natürlich und drohte, er werde zurückkommen und in der Wohnung so lange alles kurz und klein schlagen, bis er sein Zeug wiederhabe. Henry waren die Drohungen des Jungen und die ständigen Anrufe der Mutter egal, weil er auf diese Weise wenigstens weiter Kontakt zu Sam hatte.
    Schwer zu sagen, warum sich Henry wie ein verschmähter Liebhaber aufführte, zumal er kaum zu Hause war. Wenn ich jetzt Miriam besuchte, war meist Henry da, kochte, wusch ab, saß herum und unterhielt sich mit Miriams Kindern und ihren Freunden, die einen Menschen wie ihn noch nie gesehen oder gehört hatten. Tagsüber kümmerte er sich um eine Truppe von Filmstudenten, mit denen er gearbeitet hatte, und er unterrichtete automatisch jeden, der gerade in seiner Nähe war. Er war ein guter Lehrer, der sich hervorragend in Kultur, Politik und Geschichte auskannte und mit Theorien und Namen, auch den von Bewegungen, nur so um sich warf. Er regte sich gern über
    die Unkenntnis seiner Schüler auf, als müssten diese alles wissen. Ein Egozentriker war er ganz bestimmt, ein Narzisst aber nicht.
    Henry war bei jeder neuen Erfahrung Feuer und Flamme und erweckte den Eindruck, als hätte es so etwas noch nie gegeben. Er betonte immer wieder, dass der Club, den er mit Miriam besuchte, »demokratischer ist als jeder Ort, an dem ich je gewesen bin. Ficken ist ja immerhin ein soziales Ereignis. Du kannst da alle möglichen Typen treffen.«
    »Wie im National Theatre?«, fragte ich.
    »Die Bandbreite ist noch größer!«, erwiderte er. »Dort gibt es Friseurinnen, Bankangestellte, Ladenbesitzer, Fernfahrer. Leute, die draußen vor der Stadt billig zur Miete wohnen. Einerseits ist die Sache absurd und banal. Andererseits weiß man, dass Menschen, egal ob reich oder arm, ihre geistige Gesundheit, ihren Besitz, ihre Ehe und ihren Ruf riskieren, um sich zu befriedigen. Und wir wissen auch, dass unsere Kinder irgendwann diese Welt der verrückten Lüste betreten werden. Ist schon ein komischer Gedanke, dass dieser Irrsinn den Kern des menschlichen Daseins bildet.«
    Er sagte, Miriam und er seien nicht gelangweilt voneinander, und sie würden immer noch normal miteinander schlafen. Sie seien nicht wirklich bis ins Extrem gegangen. Manche Männer waren der Meinung, dass beim Sex idealerweise ein anderer Mann dabei sein sollte - meist ein enger Freund -, der die Frau befriedigte, wenn man dies nicht selbst schaffte. Allerdings hatte Miriam genug Erfahrung, um am Ende auch ganz sicher befriedigt zu sein.
    Einmal zogen sie sich bei mir um wie ein Teenager-Pärchen, das sich für eine Party schick machte: Laute Musik von den Rolling Stones -»Hey, sollten wir nicht zu ihrem Konzert gehen? Sie spielen doch in London, oder?« - und jede Menge Schweiß. Sie boten wirklich einen reizenden Anblick: Henry in enger Vinylhose, ärmelloser Lederweste und in schweren Stiefeln. Miriam in kurzem Rock, mit hochhackigen Schuhen und Strapsen. Als Top trug sie ein hauchdünnes Baby-Doll-Teil.
    »Das behalte ich sowieso nicht lange an«, sagte sie.
    Ich konnte mir nicht verkneifen zu erwidern: »Ich hoffe, in eurem Club ist es finster.«
    »Auf zur Fick-Therapie«, sagte Henry, als sie sich in Bushys Taxi zwängten.
    »Warum kommst du nicht mit?«, fragte Miriam in der Tür.
    »Ja, genau«, sagte Henry. »Du wirst auf

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