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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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hielten Neurosen mit weit zurückreichender Vorgeschichte für leicht zu behebende mentale Fehlfunktionen.
    Ich hielt Vorträge über diese Dummheit. Man bat mich, über Freuds »Scharlatanerie« zu debattieren, und ich war erfreut, dass er immer noch provozieren konnte. Ich trat ein paar Mal im Radio und einmal im Fernsehen auf, wo von mir erwartet wurde, meinen Job möglichst knapp »auf den Punkt« zu bringen. Ich wurde zu Konferenzen ins Ausland
    eingeladen und hielt »Grundsatzreden«. Ich signierte mein Buch wie ein richtiger Schriftsteller in Buchhandlungen. Ich las auf Literaturfestivals, wo ich von Henry interviewt wurde und in einem halb leeren, zugigen Zelt Fragen beantwortete. In der engeren Wahl für mehrere Preise und nervlich zerrüttet, musste ich eine zu enge Smokingjacke und Krawatte tragen, meine Schuhe auf Hochglanz polieren und an grauenhaften Festessen teilnehmen.
    Aber es lohnte sich: Meine letzte Ex, Karen, meldete sich wieder bei mir. Ich weiß nicht genau, welchen Eindruck ich damals auf sie gemacht hatte - wahrscheinlich den eines hoffnungslosen Falls -, denn sie war überrascht und bezaubert vom Etikett des »jungen, hippen Analytikers«. Sie rief mich an, und wir begannen, uns zum Lunch zu treffen. Nach ihr, gegen Ende der Achtziger, hatte ich in einem Rausch der Libido viele andere Frauen vernascht, manche komisch, manche lustig und manche peinlich, bevor ich schließlich die unselige Kur für meine Rastlosigkeit fand - Josephine. Karen und ich hatten uns mit tiefer Bitterkeit getrennt, und ich war sogar traurig gewesen. Aber sie hatte jemand anderen gefunden und machte einen fast glücklichen Eindruck.
    Und was Valerie betraf: Sobald Henry ihr ein Exemplar meines Buches gegeben hatte und sie meinen Namen auf dem Cover sah und ausrufen konnte: »Den kenne ich, der ist ja oft hier!«, wurde ich für sie zu einer greifbaren Person - zu einem Namen mit gesellschaftlichem Rang, den sie anderen gegenüber erwähnen konnte.
    Valerie war im Umgang klug und angenehm, vorausgesetzt, man machte sich nichts aus ihrem ständigen Name-Dropping - ungewöhnlich vulgär für jemanden mit ihrem Hintergrund -, bei dem man das Gefühl hatte, als würde sie einem Steine in die Taschen stopfen. Ihre Tragödie bestand darin, dass sie trotz ihrer Fick-dich-Schuhe und Fick-mich-Titten nicht sehr hübsch war und deshalb nicht anders konnte, als jüngere und schönere Frauen zu verabscheuen, außer sie waren berühmt. Doch sie war ihren eigenen Weg gegangen und hatte als Filmproduzentin bewiesen, was in ihr steckte, indem sie die Rechte von »netten, unterhaltsamen« Romanen erwarb, einen Regisseur besorgte und das Geld für die Verfilmung auftrieb.
    Ihr Büro befand sich im Keller des Hauses, und es gefiel ihr so gut, Sam um sich zu haben, dass sie ihm einen Fernseher mit Plasma-Bildschirm kaufte, damit er auch ganz bestimmt bei ihr blieb. Als er schließlich wieder bei ihr einzog, tat er das mit der Begründung, er habe Henry ertappt, als dieser »etwas echt Ekelhaftes mit einer tätowierten Frau« gemacht habe. Valerie, immer zufrieden mit dem Einblick in Henrys Leben, den sie gerade bekam, hatte etwas erwidert wie: »Immerhin war es eine Frau. Warum regst du dich so auf? Dad ist ein Künstler, und er macht, was er will. So sind sie alle, völlig verrückt. Hast du neulich nicht die Sendung über Toulouse-Lautrec gesehen?«
    Sie war klug genug, nicht über Miriam herzuziehen, von der sie als »Jamals Schwester« sprach und auf die sie jene Achtung übertrug, die sie mir zollte. Valerie glaubte keinen Moment, von einer anderen Frau ersetzt werden zu können. War eine Mutter ersetzbar? Würde eine andere Frau weiter die Miete für Henry bezahlen?
    Nach dem Beginn meiner Freundschaft mit Henry dauerte es eine Weile, bis ich zu ihren Dinnerpartys eingeladen wurde. Zum Teil durfte ich daran teilnehmen, weil ich ein Buch veröffentlicht hatte, zum Teil, um Henry Gesellschaft zu leisten, der sich in »Valeries Haus«, wie er es nannte, fremd und fehl am Platz fühlte. Er lebte schon seit einigen Jahren nicht mehr wirklich dort, denn er hatte viel im Ausland gearbeitet oder sich gemeinsam mit Freunden oder Frauen irgendwo anders aufgehalten. Seine Kleider ließ er allerdings bei Valerie, und manchmal kam er vorbei, um die Kinder zu sehen, in seinem Zimmer zu arbeiten oder einfach herumzuhängen. Valerie machte sich selbst und anderen vor, dass Henry Zeit und Ruhe für seine Kreativität brauche. Daran merkte er, wie

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