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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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entsprechenden Kleider, sprachen den Akzent und versuchten, die Sprache zu lernen, um mit den Bediensteten reden zu können.
    Wenn Miriam draußen ohne Kopftuch unterwegs war, zischte und pöbelte man sie an; ja, man kniff sie sogar. Sie schnappte sich Obst von den Ständen und bewarf die Leute damit. Ich hatte große Angst, dass sie in eine Schlägerei oder etwas noch Schlimmeres geraten könnte. Ich passte mich an, doch Miriam, eine moderne Frau der extremsten Art, zeigte allen, was eine Harke war. Unsere Großmutter, die Prinzessin, hatte sie bereits aufgesucht, ihr eine Hand auf den Kopf gelegt und gesagt: »Ich werde nun ein kurzes Gebet sprechen, das den Teufel und die bösen Geister austreiben wird, von denen du besessen bist. Weiche von ihr, Satan! Schenke uns den Sieg über die Ungläubigen!« Am folgenden Morgen ließ sie zwei Schafe schlachten. Das Fleisch wurde an die Armen verteilt, die man im Gegenzug bat, für Miriams rasche Genesung zu beten.
    Die Sache eskalierte eines Vormittags in Papas Wohnung, als ich im Wohnzimmer Lärm hörte. Es wurde geschrien. Dann schien ein großer Gegenstand auf den Fußboden zu krachen. Ich vermutete, dass es sich bei diesem großen Gegenstand um Papa handelte. Als ich ins Zimmer rannte, den Diener auf den Fersen, saß Miriam rittlings auf Papa, genau wie früher auf mir, und brüllte ihn an. Er versuchte sowohl, sein Gesicht zu schützen, als auch sie zu schlagen. Doch Miriam war kräftig und nicht so leicht abzuschütteln, und außerdem wollte sie ihm etwas sagen.
    »Er hat mich missbraucht!«, sagte sie, als wir sie ergriffen und ihr die Arme auf den Rücken zu drehen versuchten. Papa klopfte sich den Staub ab. Dann merkte ich, dass Miriam ihn angespuckt hatte, denn er hatte Speichel im Gesicht. Er wischte ihn mit dem Taschentuch ab.
    »Er sagt, ich würde den Weißen den Arsch küssen! Er nennt mich ein >verludertes Mädchen< und eine >dreckige Schlampe<, die sich nicht benehmen kann! Obwohl er uns in London im Stich gelassen hat! Er hat sich aus dem Staub gemacht! Was könnte schlimmer sein!«
    »Raus«, rief Papa mit schwacher Stimme. Er ging in ein Nebenzimmer und schloss die Tür hinter sich.
    Wir sollten ihn zum letzten Mal gesehen haben.
    Offenbar hatte Dad mit Yasir geredet. Sobald wir in dessen Haus zurückgekehrt waren, teilte man uns mit, dass wir in Kürze abreisen würden, gegen ein Uhr früh. Man ließ uns keine Wahl. Die Diener packten schon unsere Sachen. Niemand verabschiedete sich von uns oder winkte; wir durften den Mädchen nicht auf Wiedersehen sagen.
    Amüsant war, dass wir auf dem Flughafen Miriams Geliebten erblickten, den Piloten, als dieser durch die Crew Lane ging. Später, wir hatten längst abgehoben, holte er sie ins Cockpit. Offenbar steuerte sie das Flugzeug. Eine vollbesetzte Boeing 747 mit Miriam am Steuerknüppel, auf dem Knie des Piloten sitzend und ohne jeden Zweifel mit einer Hand in seinem Hosenstall.
    Mutter hatte gewollt, dass wir Vater »in seinem eigenen Umfeld« kennenlernten. Sie hatte geglaubt, das wäre lehrreich für uns. Und das war es. Eine Idealisierung war nun nicht mehr möglich. In vieler Hinsicht war er schlimmer dran als wir. Er konnte weder uns retten, noch konnten wir ihn retten. Er konnte auch nicht der Vater sein, den wir uns gewünscht hatten. Wenn ich einen Vater haben wollte, musste ich mir einen besseren suchen.
    Wieder zurück in London, sprachen Miriam und ich kein Wort mehr miteinander. Ich hasste sie und wollte sie nie mehr sehen. Ich hatte keine Lust mehr, den kleinen Bruder zu spielen. Meist bin ich ziemlich passiv, oft sogar ausweichend; ich laufe mit, weil ich abwarten will, was passiert, und die Sache nicht noch weiter verschlimmern möchte, indem ich meinen eigenen Senf dazugebe. Doch beim Verlassen von Papas Wohnung sagte ich Miriam ganz offen, dass sie die Reise meiner Meinung nach komplett versaut habe.
    »Kein Wunder, dass Papa dich für eine Idiotin und Nutte hält«, erklärte ich. »Du hast dich ja keine fünf Minuten unter Kontrolle! Diese Leute haben ihre eigene Lebensweise, und du hast einfach darauf geschissen! Auf dieser Welt gibt es ganz bestimmt kaum jemanden, der noch selbstsüchtiger wäre als du!«
    Sie war so mürrisch und baff - traumatisiert, wie ich vermute -, dass sie mir nicht einmal eine langen konnte. Mir kam der Gedanke, dass sie sich entweder selbst etwas antun oder wieder zum Heroin greifen würde.
    Wir fuhren mit der U-Bahn nach London. Die kleinen Häuser und

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