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Das sag ich dir

Das sag ich dir

Titel: Das sag ich dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanif Kureishi
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unkonventionelles Verhalten Pflicht war, als abgedreht, und Henry sah in seiner Tochter eine gelungene Fortentwicklung seiner eigenen Person. Trotzdem machte er sich Sorgen und sagte: »Lisa ist nach wie vor einer jener Charaktere, die am liebsten als menschliches Schutzschild fungieren würden. Wie kommt sie nur dazu, sich alle Sünden dieser Welt aufzuladen? Warum diese Schuldgefühle und dieser Masochismus? Solange sie ihre Wut gegen sich selbst richtet, braucht wohl niemand Angst zu haben. Aber wenn sie sie auf andere loslässt, muss man höllisch aufpassen!«
    Sie kam direkt aus ihrem Schrebergarten auf einem Fahrrad bei mir an. Ihr dickes Haar fiel bis über die Schulterblätter, war dramatisch wirr und natürlich ungekämmt, was mir auf eine verdrängte Weiblichkeit hinzudeuten schien. Nicht, dass ich sie für lesbisch gehalten hätte, obwohl sie sich darin wie viele andere vergeblich versucht hatte.
    Sie trug drei Rucksäcke auf einmal und sah aus wie eine aufrecht gehende Schnecke. Ihre Fingernägel waren dreckig, ihre Stiefel verschlammt und ihre Naturtextilien in Auflösung begriffen. Sie hatte weder Make-up noch Schmuck; die Adern in ihrem Gesicht waren geplatzt, weil sie sich gern rauem Wetter aussetzte, und sie sah so müde aus, als würde sie seit Wochen ihren Garten umgraben.
    Vor nicht allzu langer Zeit, im Februar 2003, war sie gemeinsam mit Henry, mir und zwei Millionen anderen Menschen auf einer Anti-Kriegs-Demo durch den Hyde Park marschiert. Nun, zwei Jahre später, befanden wir uns mitten in einem heuchlerischen, endlosen Konflikt, der niemandem bessere Laune bescherte, auch ihr nicht. Als ich ihr einen Brennnesseltee kochte, stimmten wir überein, dass unser Land von einem Neurotiker regiert werde, der an einen evangelikalen, imperialistischen Wahnsinnigen gekettet sei. Höchstwahrscheinlich war Lisa die letzte Marxistin im ganzen Westen, doch ich mochte ihre Leidenschaft. Leider war das der einzige Punkt, in dem wir zu einer Übereinkunft gelangen sollten.
    Sie sagte: »Gestern habe ich Henry besucht. Es war gegen Mittag. Sam war völlig durch den Wind, weil er ausziehen musste. Du weißt ja, warum.«
    Ich beugte mich vor. »Ich habe davon gehört, ja.«
    »Und Henry hat sich kindischerweise geweigert, Sam seine Sachen zurückzugeben. Die Kleider sind nicht so wichtig, aber den Computer braucht er für die Arbeit. Ich habe ihm gesagt, ich werde das Ding holen, koste es, was es wolle. Ich musste Henry unbedingt sprechen.«
    Einer der anderen Mieter, von einer Frau wie Lisa in Angst und Schrecken versetzt, hatte ihr die Haustür geöffnet. Wie die Pantoffel-Frau festgestellt hatte, schloss Henry seine Wohnung nie ab. Um ihn zu finden, musste Lisa nur dem Gestank folgen.
    »Er lag mehr oder weniger im Koma. Das ganze Waschbecken war vollgekotzt, er hätte sterben können. Auf dem Fußboden habe ich Fetischklamotten und andere Dinge gefunden. Sogar eine Ledermaske. Ich habe ihn gefragt, was das soll.«
    »Und?«
    »Er hat gesagt: >Früher hat man solche Masken bei den feierlichen Tänzen wichtiger sozialer Rituale getragene« Ich musste mich auf die Fingerknöchel beißen, um nicht laut aufzulachen. Lisa fuhr fort: »Ja, klar, noch so einer seiner Witze. Er war in einem Club gewesen. Als ich wissen wollte, was er genommen hatte, sagte er >E< und Viagra - beides auf einmal!«
    Henry war zu fertig, um auf die Beine zu kommen. Laut seinen Worten wollte Bushy später Miriam vorbeibringen, die ihm helfen würde.
    »Bei seinem Gestöhne dachte ich, dass man die Titanic leichter heben könnte als ihn«, sagte Lisa und sah mich vorwurfsvoll an. »Dann habe ich mich neben das Wrack meines Vaters gesetzt.«
    »Wie abgewrackt war er denn?«
    Offenbar hatte Valerie berichtet, Karen habe ihr im Nacken gesessen und gedroht, dass sie den Dokumentarfilm über die Schauspieler kippen werde, wenn Henry ihn nicht fertig stelle. Und nicht nur das: Da sie, Karen, bereits in finanziellen Schwierigkeiten stecke, müsse Valerie für mögliche Verluste aufkommen. Lisa hatte von ihrer Mutter erfahren, dass Henry, der nur noch Unterricht gab, auch andere Aufträge abgelehnt hatte, weil er »im Ruhestand« sei und angeblich »nichts mehr zu sagen« habe.
    »Ich habe ihn gefragt, ob ich einen Arzt rufen soll«, sagte Lisa.
    »Ging es ihm denn richtig schlecht?«
    »Wenn er imstande war, etwas zu sagen, klang er fröhlich. Vielleicht lag es ja an den Drogen. Da ich meinen Körper nie mit diesem Scheiß verpestet habe, kann

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