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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Ihre Gesellschaft war viel zu gefährlich.
    Tannhäuser sagte: »Ich habe die türkischen Belagerungsgeschütze gesehen. Es sind ungeheuer viele.«
    Das selbstzufriedene Gemurmel hörte auf.
    »Ein Dutzend Achtzigpfünder-Kanonen, Basilisken, die Steine von dreihundert Pfund schleudern können, Dutzende von Vierzigpfündern. Torghoud bringt sicherlich noch sein eigenes Geschütz mit.«
    »Torghoud wird auch erwartet?« fragte Le Mas.
    »Jeden Tag«, antwortete Tannhäuser.
    Le Mas wandte sich an La Valette. »Dann wiederhole ich meine Forderung noch einmal. Den Ehrenposten.«
    »Sie werden St. Elmo in Schutt und Asche schießen«, sagte Tannhäuser.
    »Mit Gottes Gnade«, sagte La Valette, »wird St. Elmo verteidigt, bis es nur noch Schutt und Asche ist.«
    »Dann will ich nicht versuchen, Euch davon abzuhalten«,meinte Tannhäuser. »Aber die Osmanen kämpfen genauso mit dem Spaten wie mit dem Schwert. Ihr müßt es ihnen gleichtun. Birgu ist schwächer, als Ihr meint.«
    La Valette überspielte einen aufflackernden Funken Ärger. »Wieso?«
    Tannhäuser deutete auf eine Karte, die auf dem Tisch ausgebreitet lag. »Ihr erlaubt?«
    La Valette nickte, und die Edelmänner versammelten sich um den Tisch, während Tannhäuser mit dem Finger die Linie der Hauptbefestigungsmauer entlangfuhr. »Sandsteinblöcke, ja? Eine Verkleidung aus behauenem Sandstein, mit Schutt aufgefüllt.«
    La Valette nickte.
    »Die Osmanen gehen nach einem wissenschaftlichen System vor«, fuhr Tannhäuser fort. »Eisenkugeln, um die Verkleidung zu durchschlagen, dann abwechselnd Marmor und Stein, um den Schutt zu lockern. Die Mauern sind ungeheuer stark, aber sie werden fallen. Wenn die Mamelucken kommen, werden diese Bastionen trotz des breiten Grabens mit Minen untergraben. Mustafas Pioniere würden ihm einen Tunnel zurück nach Ägypten graben, wenn er es anordnete.«
    »Das hatten wir erwartet«, sagte La Valette.
    »Wenn Euch St. Elmo wirklich so viel Zeit kaufen kann, dann müßt Ihr sie zum Bauen nutzen. Ihr habt tausend Sklaven, die unter der Erde verrotten. Hier – beim Posten von Kastilien – eine zweite Mauer –«
    Köpfe wurden vorgereckt, um dem Finger zu folgen, der über die Karte strich.
    »Eine zweite Mauer, die man von den Berghöhen nicht ausmachen kann – mit Geschützpositionen hier und hier, um ihren Mut zu zerstören, wenn sie mit Triumphgeheul durch die erste brechen.«
    »Warum Kastilien?« fragte La Valette.
    »Stolz«, sagte Tannhäuser. »Mustafa ist verbittert über den gestrigen Rückschlag. Er tobt vor Wut, und die Wut eines Türken ist so, wie ich sie in einer fränkischen Seele noch nie erlebt habe.Außerdem kann er, wenn er Kastilien angreift, seine rechte Flanke mit den Batterien von San Salvatore schützen. Zudem ist die Ebene an dieser Stelle am schmalsten, gut für seine Mineure und Pioniere.« Er deutete auf die Festung von St. Michael. »Wenn er dann gleichzeitig L’Isla angreift – wie ich das an seiner Stelle machen würde –, dehnt sich Eure Garnison von einem Ende der Festungsmauer zum anderen. Wenn die eine oder andere fällt, ist alles aus und vorbei.«
    La Valette schaute zu Oliver Starkey, wie um ihm zu versichern, daß die Vorteile von Tannhäusers Beteiligung alle Erwartungen übertroffen hatten. Dann richtete er seine kalten, grauen Augen auf Tannhäuser. Selbst Ludovico Ludovicis Augen waren menschlicher gewesen, fand Tannhäuser. Zumindest hatten sie die Liebe gekannt. Tannhäuser gewann den unangenehmen Eindruck, daß La Valette von ihm genau die gleiche Meinung hatte. Er blinzelte und wandte sich wieder der Karte zu. Er deutete mit dem Finger auf den Plan der Stadt Birgu.
    »Diese Straßen – hier, hier, hier – noch mehr Mauern. Wie ein Trichter. Laßt diese Gebäude abreißen, damit daraus ein freies Schußfeld werden kann, und wenn sie hier durchkommen, brecht sie wieder.«
    »Die Schlacht hat noch kaum begonnen«, sagte Le Mas. »Und Ihr seht schon die Ungläubigen in unserer Mitte.«
    Tannhäuser erwiderte: »In Mustafas Gedanken ist das eine Gewißheit.«
    »Hauptmann Tannhäuser hat recht«, sagte La Valette. »Diese Arbeiten werden den Menschen klarmachen, was auf sie wartet und was von ihnen verlangt wird.«
    Der hagere Kastilier Zanoguerra warf ein: »Hauptmann, unsere gemeinen Soldaten sprechen von den Janitscharen, als wären sie Dämonen. Was könnt Ihr uns sagen, um diesen Aberglauben zu zerstreuen?«
    »Aberglauben?« fuhr Tannhäuser auf. »Die Janitscharen sind

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