Das Sakrament
war.
Er rieb sich das Gesicht mit beiden Händen. Sein einziger Wunsch war nun, ins Bett und in Amparos Arme zurückzukehren, doch genau so ein Wunsch hatte ihn überhaupt erst in diese mißliche Lage gebracht. Carla hatte ihn gebeten, sie nach Malta zu bringen, und das hatte er getan und viel mehr. Er hatte wieder Farbe auf ihre Wangen gebracht. Er hatte ihr einen Geschmack von Abenteuer geschenkt. Sie waren gescheitert, allerdings ehrenvoll. Gewiß konnte sie so ihre Dämonen für immer zur Ruhe legen! Er hatte Lämmer in die Wolfsgrube gebracht. Sicherlich war es nun seine Pflicht, Carla auch wieder heil hier herauszubringen. Würde sie ihm dann die Heirat und seinen Adelstitel verweigern? Als sie ihren Handel abschlossen, hatte er es versäumt, diesen Umstand im einzelnen zu berücksichtigen. Ein weiterer Beweis dafür, wie einem der Verstand beim Anblick zweier schöner Brüste verlorenging. Er verspürte eine Zuneigung zu Carla, die größer war, als er zugeben wollte. Ein Mann konnte sich wahrhaftig eine schlechtere Frau nehmen, und doch hatte er auch dieses Gewässer getrübt, weil er Amparos Reizen erlegen war. Das hatte Carla verletzt, und bei dem Gedanken grub sich ihm ein beißender Schmerz in die Eingeweide. Wäre die Contessa nur ein wenig zugänglicher gewesen, hätte er sich bei dem Kuß, den er ihr im Garten stehlen wollte, nicht so ungeschickt angestellt. Er hatte es wirklich als Abscheu empfunden und war nicht überrascht gewesen. Doch was war mit den starken Gefühlen, die er noch vor einer Stunde verspürt hatte, als er Amparo im Schlaf beobachtete?
Verdammt! Er war mit unsichtbaren Ketten gefesselt, gequältvon Hölleninstrumenten. Ein klügerer Mann hätte ohne weiteres rasch seinen Abschied inszeniert. Er hingegen war anscheinend kein klügerer Mann und schloß diese fruchtlosen Überlegungen mit einem tiefen Seufzer ab.
»Ihr habt Sorgen, Herr«, sagte Nicodemus.
Tannhäuser stöhnte und ließ die Hände sinken. Der Makedonier sah blendend aus, hatte dunkle, ernste Züge mit vollkommenen Proportionen. Seine schwarzen Augen mit den dichten Wimpern betrachteten die Welt mit der verletzten Unschuld der Ikonen aus der Hagia Sofia. Wahrscheinlich war er wegen dieser Eigenschaften auch zur persönlichen Leibwache Mustafas aufgestiegen, denn oft fanden alte Männer Trost im Spiegel der Jugend. Tannhäuser und der Jüngling sprachen Türkisch miteinander.
»Ich neige zu sehr zum Grübeln«, sagte Tannhäuser. »Diese Gewohnheit solltest du dir nicht zulegen.«
»Ihr habt mir den Weg zu Christus zurück gezeigt«, meinte Nicodemus. Seine Augen schimmerten mit dem Idealismus eines Menschen, der noch zu jung war, um es besser zu wissen. »Mein Leben gehört Euch.«
Tannhäuser lächelte. »Ich bin nicht fromm.«
»Ihr seht ins Herz der Dinge, wie das nur ein frommer Mann kann.«
Tannhäuser sah keinen Grund, dem Makedonier zu widersprechen. Treue, auf welcher Grundlage sie auch immer beruhte, war ein kostbares Gut. Nicodemus zog den Ärmel seines Hemdes hoch und legte seinen sonnenverbrannten, sehnigen Unterarm frei, an dem ein gepunzter goldener Armreif glänzte. Er streifte den Armreif ab und hielt ihn Tannhäuser hin.
»Bitte«, sagte er. »Nehmt dies Geschenk von mir an. Es wird Eure Sorgen lindern.«
Tannhäuser untersuchte den Reif. Es war ein unterbrochener Kreis, vielleicht sieben oder acht Unzen schwer und von männlichem Charakter. Unzählige Farben spielten sich im Schimmer des Metalls. Die Verarbeitung war nicht die beste: Man konnte noch die Spuren des Hammers in der Punzierung sehen, und auch dieSymmetrie des Stücks war unvollkommen. Trotzdem war der Reif außergewöhnlich. Das Gold war in der Mitte anderthalb Finger breit, lief zu den Enden auf einen Finger breit zu. Die Abschlüsse waren mit brüllenden Löwenköpfen verziert. Tannhäuser drehte den Reif im Licht und sah, daß er auf der Innenseite eine arabische Inschrift trug: Ich komme nach Malta nicht für Reichtümer, sondern um meine Seele zu retten.
Tannhäuser schaute Nicodemus an. Er fragte sich, wer dem Jungen dieses Schmuckstück geschenkt haben mochte und warum. Er war sich jedoch nicht sicher, ob er die Antwort hören wollte. Tannhäuser legte den Reif um sein Handgelenk, bog das Gold so, daß es sich um seine breiteren Knochen schmiegte. Vielleicht verlieh ihm diese Inschrift eine übernatürliche Kraft.
»Ich werde es höher schätzen als all meinen anderen Besitz«, versicherte Tannhäuser. Er hielt den Arm
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