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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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allumfassend, daß Ihr Christi Botschaft des Verzeihens vergessen habt? Würdet Ihr Maria Magdalena vom Kreuz verbannen? Schande über Euch, Pater Lazaro!« Mattias trat einen Schritt zurück und sprach in milderem Ton weiter. »Wenn Ihr Euch christlicher verhaltet, dann könnte sehr wohl ein Pfund iranisches Opium in Eurem Arzneischrank auftauchen. Vielleicht sogar zwei.«
    Lazaro blinzelte, inzwischen ziemlich verwirrt. »Ihr hortet Opium? Während mein Hospital mit Schwerverwundeten überfüllt ist?«
    Bors erinnerte sich an den Schatz unter der Wanne. Mattias heuchelte ein trauriges Lächeln.
    »Vielleicht habe ich mir den schlechten Ruf verdient, den ich bei Euch habe, Pater Lazaro, obwohl wir bis heute keine Bekanntschaft miteinander gemacht haben. Aber Opium horten?«
    Lazaro begab sich auf den Rückzug. »Vielleicht hat mich das Leiden meiner Patienten zu einer zu hastigen Schlußfolgerung verleitet –«
    »Allerdings«, fuhr Tannhäuser fort, »könnte ich unter großen persönlichen Gefahren und erheblichen Kosten die erwähnten Medikamente für Euch auf dem türkischen Basar erwerben.«
    In einem Anfall von Reue packte Lazaro ihn bei der Hand. »Vergebt mir, Hauptmann, ich bitte Euch.«
    Mattias neigte den Kopf in einer gnädigen Geste. »Contessa Carla wird sich geehrt sehen, Eurer Einladung nachzukommen.«
    Lazaros Gesicht legte sich in Sorgenfalten. »Aber wird Contessa Carla die notwendige Stärke für diese harte Arbeit haben?«Lazaro blickte die steile Treppe des Klosterspitals hinauf. »Hier bekommt man Dinge zu sehen, die dem stärksten Mann den Magen umdrehen und die das tapferste Herz brechen können.«
    »Die Contessa hat ein goldenes Herz, aber wenn ihr Magen sich als zu schwach erweisen sollte, dann ist Euer Stolz gerächt, und ihr Stolz ist in seine Schranken verwiesen. Ihr werdet sie und ihre Gefährtin in der Herberge von England antreffen.«
    »Ihre Gefährtin?«
    »Amparo. Wenn Euch der Sinn nach vulgärem Tratsch steht – sie ist die Frau, mit der ich in Sünde lebe.« Lazaro zwinkerte. Mattias schlug das Kreuz. »Dominus vobiscum« , sagte er.
    Und fort waren sie.
    Dominus vobiscum , wahrhaftig, dachte Bors. Und das einem Priester. Nur ein Mensch, der nichts von Manieren wußte, konnte eine solche Frechheit wagen. Unwissenheit aber spielte in Tannhäusers Handlungen kaum je eine Rolle.
    Das Kastell St. Angelo ragte über dem Großhafen auf wie ein riesiger schwebender Tempel, dessen steile Mauern in Sandsteinstufen bis zum Ufer abfielen. Vom Dach von St. Angelo bot sich ein unvergleichlicher Blick über den Großhafen und die Festung St. Elmo. Während sie die letzten Stufen erklommen, pochte Bors’ Herz nicht nur von der Anstrengung schneller. Man hatte ihn in die Königsloge eingeladen, und nicht einmal Nero hatte je spannendere Kampfspiele inszeniert.
    Als sie in die blendende Sonne hinaustraten, ertönte eine ohrenbetäubende Salve von St. Angelos Cavalier. Man hatte die große Geschützplattform, deren Holz unter der Gewalt der Explosion bebte und zitterte, so konstruiert, daß sie ein besseres Schußfeld auf die türkischen Stellungen bot. Rauchwolken stiegen über dem kristallklaren Wasser weit unten auf, und Bors beschattete seine Augen, um die Kanoniere zu beobachten. Sie stürzten sich auf die Sechzehnpfünder, als wären es gefährliche Untiere, die man zügeln mußte. Sie waren nackt bis zur Taille, denn obwohl der Tag noch kühl war, atmeten sie ständig die heiße Schwefelluft ein undwaren von Kopf bis Fuß pechschwarz vom verbrannten Schießpulver und Schmierfett. Ihre schmutzige Haut war schweißüberströmt, übersät mit kleinen Geschwüren, die sie sich bei den in ihrem Gewerbe unvermeidlichen Verbrennungen zugezogen hatten. Alle, immer neun in einer Mannschaft, verfluchten Himmel und Hölle und ihre Mütter, die ihnen das Leben geschenkt hatten, während sie mit den großen Bronzeuntieren kämpften, um sie wieder an die richtige Geschützstellung zu zerren. Ihre blutunterlaufenen Augen rollten wild, und ihre Gesichter waren rußbedeckt, als wäre dies eine satanische Komödie und sie höllische fahrende Sänger und völlig von Sinnen.
    »Als ich neun Jahre alt war, war ich Kanoniergehilfe«, erzählte Bors, »im Heer des Königs von Connaught. Die Narben habe ich heute noch.«
    »Ja, eine Gehirnerschütterung kann sich oft ein Leben lang auswirken«, stimmte ihm Mattias zu.
    Bors lachte. »Wie auch mein feierlicher Schwur, nie wieder in der Artillerie zu

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