Das Sakrament
und auf alles und jedes, was über das Wasser auf sie zukam. Bei Tag ließ sich dort niemand blicken. Vom Ufer der Marsamxett-Bucht jenseits der Festung, wo Stellungen aus Holz und Reisig Schutz boten, nahmen noch mehr Scharfschützen jeden Christen aufs Korn, der seinen Kopf über die Festungsmauer erhob. Unter den massiven Geschützbatterien flatterte der steile Abhang von Tausenden von Regimentsfahnen der Moslemkrieger. Schrilles Gelb wetteiferte mit strahlendem Scharlachrot und Papageiengrün, die Seide schimmerte, und die Sonne blitzte silbern von den Hieroglyphen, die diese Fahnen zierten. Inmitten all dieser Pracht und diesesGeschützdonners rauchte St. Elmo wie der Schlund eines soeben wiedererwachten Vulkans.
»Wie sie die strahlenden Farben lieben, diese moslemischen Schweinehunde«, merkte Bors an. »Was steht auf diesen Bannern?«
»Verse aus dem Koran«, antwortete Mattias. »Die Sure der Eroberung. Sie treiben die Gläubigen zum Kampf, zur Rache und zum Tod an.«
»Und das ist eben der Unterschied zu uns«, antwortete Bors. »Wann hat uns Jesus Christus je zu solchen Schrecken aufgerufen?«
»Das hatte Jesus Christus offensichtlich ja auch gar nicht nötig.«
Die umkämpfte Festung hatte die Form eines Sterns mit vier Hauptspitzen. Die dem Land zugewandte Vorhangmauer und die Bastionen waren nun von Rauch und Staub verhüllt. Die hintere und östliche Flanke der Festung fielen steil zum Meer ab. Nach fünfzehn Tagen Beschuß konnte man ihre ursprüngliche Form und Gestalt nur noch erahnen. In den Mauern, die von den Batterien auf dem Berghang beschossen wurden, klafften unzählige Breschen, und das Mauerwerk stand da wie die letzten Zähne im Mund eines Greises. Geröllmassen waren in den Graben unterhalb der Mauer gefallen, und diese aufgeschütteten Berge waren mit den Leichen der niedergemetzelten fanatischen Türken wie mit einem farbenfrohen Teppich bedeckt. Wilde Angriffswellen, die stundenlang andauerten, hatten sich mit Kanonenbeschuß abgewechselt.
Trotz alledem wehte die von Kugeln durchschossene Fahne des heiligen Johannes, ein weißes Kreuzfahrerkreuz auf blutrotem Hintergrund, noch immer über den Ruinen, und von den bröckelnden Zinnen und improvisierten Mauern ertönten das ständige Krachen von Musketen und das Dröhnen der Kanonen. Bisher hatte die Garnison gegen jede Erwartung der Angreifer und Belagerten die türkischen Massenangriffe alle zurückgeschlagen. Wenn tagsüber Verteidiger fielen, wurden sie bei Nacht von LaValette ersetzt. Männer wurden vom Kai von St. Angelo über den Hafen gerudert. Es fehlte nie an Freiwilligen, worüber Bors sich nicht wunderte. Er ballte die Faust am Knauf seines Schwertes und wünschte, er wäre einer von ihnen. Eine Hand drückte ihm den Arm.
»Du hast Tränen in den Augen«, sagte Mattias. »Ich dachte immer, ihr Engländer wüßtet es besser.«
Bors wischte mit beiden Händen die verräterischen Tropfen fort. »Nein, wir taugen nur dazu, in Tavernen zu prahlen – von den Großtaten, die wir gesehen, an denen wir aber nicht teilgenommen haben.«
Mattias schaute zu Starkey hinüber. »Dein Landsmann scheint mir sehr viel phlegmatischer zu sein.«
Starkey beobachtete das Inferno mit kaum mehr Anteilnahme, als sei er ein Zuschauer bei einem Kegelspiel. »Starkey plant aber nicht, sich mitten in der Nacht davonzuschleichen.«
Mattias überhörte diese Bemerkung und ging weiter den Wehrgang entlang. Bors folgte ihm.
Starkey wandte sich um und begrüßte sie. »Ich habe mir sagen lassen, daß Ihr mein Haus in eine Lasterhöhle verwandelt habt.«
»Wie Jesus schon gesagt hat«, erwiderte Mattias, »lebt der Mensch nicht nur vom Brot allein.«
»Christus sprach dabei aber von geistlichen Angelegenheiten, wie sogar Ihr sehr wohl wißt.« Starkey wandte sich zu Bors und redete englisch mit ihm. »Ihr seid ein Sohn der Kirche, ich habe Euch schon in der Messe gesehen.«
Bors hörte seine Muttersprache so selten, daß ihre Klänge ihm seltsam fremd erschienen, und doch rührte ihn die Musik dieser Worte immer. »Ja, Euer Exzellenz, ein braver Sohn der Kirche.«
»Wie kommt es dann, daß Ihr Euch mit einem solchen Gottlosen zusammengetan habt?«
»Es war in einer kalten Nacht und in einem feuchten Graben, als Mattias nicht mehr lange auf dieser Welt zu haben schien. Mit Gottes Hilfe habe ich ihn wieder gesund gepflegt.« Es hatte wenig Sinn, einem Mann wie Starkey zu schmeicheln, aber ein wenigFrömmigkeit konnte nie schaden. »Nun hoffe ich
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