Das Sakrament
dienen.«
Am hohen Morgenhimmel zogen Dutzende von Geiern mit ausgebreiteten schwarzen Flügeln ihre Kreise über der Festung St. Elmo. Ein hoch aufgeschossener Mönch stand auf dem Wehrgang der Nordwestmauer und musterte die ungeheuren Vögel, als wollte er ihr Geheimnis ergründen. Starkey wirkte so gelehrt und unkriegerisch, wie man es sich nur vorstellen konnte, und doch hatte auch er seinen Dienst bei den Piratenzügen der Ordensritter geleistet, hatte mit ihnen die Küste der Levante und die Ägäischen Inseln geplündert und die Schiffe der osmanischen Flotte im Ionischen Meer schwer geschädigt.
Mattias sagte: »Da ist unser Mann.«
Während sie über das riesige, flache Dach auf Starkey zugingen, fragte Bors: »Was gibt es Neues vom Jungen der Contessa?«
»Es gibt noch einen Ort, wo ich nicht gesucht habe. Wenn ich dort von ihm kein Lebenszeichen finde, wird es Zeit, sich hier zu verabschieden.« Er schaute Bors an. »Sabato wartet in Venedig. Du kannst dann prahlen, daß du zum Orden gestanden hast.«
»Es ist kein Grund zum Prahlen, wenn man ein Deserteur ist. Und wenn sie uns erwischen, knüpfen sie uns auf.«
»Ich desertiere nicht«, erwiderte Mattias. »Ich habe kein Versprechen abgegeben, keinen Vertrag unterzeichnet. Trotzdem habe ich ihnen unschätzbare Dienste geleistet und keine einzige Münze dafür genommen. Diese Schuld gedenke ich einzutreiben.«
Bors kannte Mattias schon lange. »Hast du ein Schiff?«
»Noch nicht. La Valette hat zwanzig oder mehr Felukkas an der ganzen Küste entlang versteckt, mit denen seine Boten nach Sizilien gelangen. Es kann kaum mehr als einen Tag dauern, bis man eine davon findet.« Mattias las den Ausdruck auf Bors’ Gesicht und fügte hinzu: »Wir beide haben Besseres zu tun, als auf diesem Steinhaufen zu sterben. Im Augenblick ist das Land im Süden nur sehr schlecht überwacht, aber wenn St. Elmo fällt, wird Mustafa diese Stadt einschließen, und dann ist die Gefahr bei einer Flucht um ein Vielfaches höher. Ich stelle mir vor, wir verkaufen unser Opium auf dem Basar, wo wir einen besseren Preis bekommen und es vielleicht gegen Perlen und Edelsteine anstatt gegen Gold eintauschen können. Dann schiffen wir uns noch in dieser Woche nach Kalabrien ein.«
»Und was ist, wenn Contessa Carla hierzubleiben beschließt?«
»Ich kann ihr keinen Sohn aus dem Lehm kratzen. Liebe ist genausowenig wie Gott ein Grund zum Sterben.«
»Er sei gelobt.«
»Kommst du mit oder bleibst du hier?« fragte Mattias.
Bors zuckte die Schultern. »Ich nehme an, ein kleiner Hauch Ruhm wird mir reichen müssen.«
»Gut.«
»Aber wie kommen wir alle vier aus dem Kalkara-Tor?«
Mattias antwortete nicht.
Sie gingen die Treppe hinauf, und als Bors an die Brüstung trat, keuchte er vor Erstaunen. Weniger als eine halbe Meile entfernt, hatte jenseits des Hafens das gesamte türkische Heer den kleinen, belagerten Außenposten, die Festung St. Elmo, umzingelt.Massig erhob sich der Monte Scibberas aus dem Wasser wie der Rücken eines halb untergetauchten Ochsen, dessen Rückgrat sich zur Festung hin neigte, die hoch oben auf der seewärts gewandten Seite der felsigen Halbinsel aufragte. Der Berg bot der türkischen Artillerie einen wunderbaren Vorteil, doch an seinen Hängen wuchs kein Halm, es gab nicht einmal eine Handvoll Erde, auf der Pflanzen hätten wachsen können. Die unberührte Natur bot keinerlei Schutz für Kanonen oder Truppen, doch die Artillerie-Ingenieure hatten den Berg völlig durchpflügt. Man hatte Mohren aus Afrika und Christensklaven hergeschafft. Andernorts hatten sie Tausende von Tonnen Erde zusammengekratzt und in Säcken hierher auf die nackten Berghänge geschleppt. Aus Weidenruten, die sie auf ihren Schiffen mitgebracht hatten, waren riesige Schanzkörbe geflochten worden, die sie mit Felsbrocken und Schutt gefüllt hatten – und mit den Leichnamen ihrer Arbeitskameraden, die zu Hunderten von den Scharfschützen der Festung niedergemäht wurden. Aus diesen Schanzkörben baute man eine Reihe von Redouten, aus denen die Mündungen der türkischen Belagerungskanonen ragten und dröhnten und Eisen und Marmor auf die Festungsmauern von St. Elmo schleuderten.
Unter dem Verlust von unzähligen türkischen Leben hatte man Gräben in den Fels gehackt, die nun wie ein Spinnennetz die Abhänge bis weit hinunter zur Südseite der Festung überzogen. Aus diesen Schlitzen im Fels zielten die Scharfschützen der Janitscharen auf die Männer auf den Festungswällen
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