Das Sakrament
eigenen Ruhm zu steigern. Die Ritter würden in Vergessenheit geraten, genauso wie die Sache, für die sie gestorben waren, und die Zeit würde ihren Namen auf die Seiten der Geschichtsbücher verbannen, zusammen mit unzähligen anderen Dynastien, Stämmen und Reichen.
»Wer sind die Griechen heutzutage, trotz eines Jahrtausends byzantinischer Herrschaft?«
Tannhäuser hatte diesen Gedanken laut vor sich hin gemurmelt. Die anderen schauten ihn befremdet an, vielleicht weil die Antwort allen klar war. Die Griechen, die irgendein Talent besaßen, waren Sklaven von Suleiman Schah und dankbar dafür. Die übrigen waren Bauern, die mühselig ihren Lebensunterhalt aus dem steinigen Boden kratzten. Tannhäuser nahm seine Gedanken wieder zusammen und teilte den Händlern sein Wissen über den Markt für Pfeffer mit. Von Malta aus konnten sie ihn direkt nach Genua, Barcelona oder Marseille einschiffen und dabei die Venezianer ausschalten. Preise wurden besprochen, und die Händler runzelten ihre Stirn in stummen Berechnungen. Der Rest des Tages verging mit solchen überaus zivilisierten Spekulationen. Der Kaffee war stark, die Kuchen waren süß, und niemand redete davon, einen anderen umbringen zu wollen. Hinter dem Hochland im Westen ging die Sonne unter. Der Muezzin rief. Tannhäuser gesellte sich im Gebet zu seinen Freunden, und obwohl er ein gottloser Geselle war, brachte es ihm Trost. Danach sprach der Getreidehändler aus Galata, den Tannhäusers Neuigkeiten über den Pfefferhandel am meisten fasziniert hatten, das Gerücht an, daß Mustafa am nächsten Tag, dem Sabbat der Ungläubigen, einen Überraschungsangriff auf St. Elmo plante.
Mit diesem Leckerbissen, den er Starkey vorlegen konnte, verließ Tannhäuser das Lager und ritt auf Buraq durch das Dunkelzum Kalkara-Tor. Da Mustafa sich auf St. Elmo versteift hatte, war die Ostflanke von Birgu nur leicht gesichert. Er hatte auf seinem Weg keine Schwierigkeiten. Einen Tag würde er noch brauchen, um Orlandu Boccanera zu finden. Sicher nicht mehr als zwei oder drei. Der Junge war in Birgu aufgewachsen, und dort würde er sich höchstwahrscheinlich aufhalten. Dann würde er die Menschen, die ihm am Herzen lagen, aus dieser Hölle befreien und den Rest dem Willen Gottes überlassen.
Als Tannhäuser von St. Angelo zur Herberge von England zurückkehrte, lag die Majistral-Straße verlassen vor ihm. Der Himmel war klar und indigoblau. Der zunehmende Mond würde noch eine Woche hell strahlen, aber er ging zwischen ein und zwei Uhr morgens unter und würde ihre nächtliche Flucht nach Zonra nicht gefährden. Fünf Personen, das war schon eine große Gruppe, die man an den Wachen des Kalkara-Tores vorüberschmuggeln mußte, selbst mit den Passepartouts für Mdina. Aber was konnten sich die Wachen sonst vorstellen, wo sie hingehen würden? Er lächelte. Die Frauen würden ihn völlig gegen jeden Verdacht schützen, daß er zu den Türken überlief.
Mattias trat ins Refektorium und fand dort Bors und Nicodemus beim Backgammon vor. Bors hatte jenen Ausdruck ekstatischer Angst auf dem Gesicht, das nur Spieler am Abgrund eines schweren Verlustes zeigen. Ein anderer Mann, den er nicht kannte, lag schlafend mit dem Kopf auf dem Tisch. Ein bandagierter Armstumpf hing ihm von der Schulter. Aus dem Nirgendwo kam Amparo und legte die Arme um ihn. Mattias drückte sie und küßte sie auf ihre köstlichen Lippen. Sie war seltsam schön, schöner als je zuvor. Ihr schmales, schiefes Gesicht wurde vom Kerzenschein ungleich beleuchtet, der gebrochene Wangenknochen lag im Schatten, und er merkte, daß er sich nicht gewünscht hätte, sie völlig ohne Makel zu haben, selbst wenn es möglich gewesen wäre. Sie trug den Elfenbeinkamm im Haar, was ihn anrührte. Er ließ sie los, und sie wandte sich zögerlich von ihm ab. Er lehnte die in die Decke gewickelte Damaszener Muskete an die Wand.
»So«, sagte Bors, »der Große Khan kehrt also endlich heim.«Der Schweiß hatte Spuren in sein rauchschwarzes Gesicht gewaschen und ließ ihn wie einen Riesen oder ein ungezogenes Kind aussehen. »Welche Neuigkeiten gibt es aus Mekka?«
Tannhäuser bemerkte die riesige Korbflasche. »Ist noch Wein da?«
»Nein.«
»Abendessen?«
»Der Koch hat zu tun.«
Nicodemus rollte die Würfel, und Bors fluchte lästerlich und schlug mit der Faust auf den Tisch. Der Abend war noch warm, und Tannhäuser dachte an das kühle Wasser in seiner Wanne. Warum nicht? Er schnallte seinen Krummsäbel los und knöpfte
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