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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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den Kaftan auf. Er sah zu, wie Nicodemus die weißen Spielsteine geschickt und blitzschnell über das Brett bewegte.
    Auf türkisch sagte Tannhäuser zu ihm: »Nicodemus, laß ihn gewinnen. Stell dir vor, daß er nur ein kleiner Junge ist, den du von ganzem Herzen gern hast.«
    »So spielt er auch«, erwiderte Nicodemus. »Aber warum sollte ich das Spiel verlorengeben?«
    »Es würde allen eine ruhige Nacht sichern, und es wäre eine gute Investition für zukünftige Spiele.«
    Bors würfelte und fluchte wieder. »Diese Würfel sind verhext. Was hat der griechische Hund gerade gesagt?«
    »Er sagt, er möchte dich aufs Kreuz legen und vernaschen, wartet aber lieber, bis du gebadet hast.«
    »Der Bursche hat mich schon ein gutes Dutzendmal aufs Kreuz gelegt. Ich werde mir wahrscheinlich bei dir Gold leihen müssen.«
    »Ihr spielt um Gold?«
    Bors verzog das Gesicht. Seine riesige schmutzige Hand schwebte über dem Spielbrett. »Was gibt es Neues, habe ich gefragt. Also?«
    Tannhäuser antwortete: »Sie machen in Kalabrien schon unser Abendessen warm.«
    Sofort vergaß Bors das Spiel. Er schaute ihn wütend an. »Und der Steuermann?«
    »Wir haben einen Kompaß. Ich bin der Steuermann.«
    »Wunderbar.«
    »Ich habe auch herausgefunden, wer der Sohn der Contessa ist.«
    Bors musterte weiterhin das Spielbrett mit kaum verhohlener Wut, ließ dann seine Hand heruntersausen, als müßte er in ein Nest von Skorpionen greifen. Die schwarzen Spielsteine wurden über die Felder gerammt. »Interessiert mich nicht«, knurrte er.
    »Wo ist Carla?«
    Amparo antwortete: »Sie schläft.«
    »Dann bade ich erst«, sagte Tannhäuser.
    Bors ignorierte ihn und schaufelte die Würfel wieder in den Lederbecher. Mit drohender Geste knallte er ihn vor Nicodemus auf den Tisch. »Hier, würfele und zur Hölle mit dir, du muselmanischer Mistkerl.«
    Tannhäuser bemerkte die Bestürzung auf Amparos Gesicht und lächelte. »Hab Mitleid mit ihm. Bors war der beste Backgammon-Spieler von Messina. Das glaubte er jedenfalls.«
    »Ich bin wieder einmal von Beschnittenen umzingelt«, knurrte Bors. »Ausgerechnet hier, in der Bastion des katholischen Glaubens. Das ist gegen die Natur.« Er sah die Würfel rollen und erstarrte dann mitten in der Bewegung, als Nicodemus einen offensichtlich völlig falschen Spielzug machte. »Geh baden«, sagte er zu Tannhäuser, »und laß uns Männer unsere Geschäfte erledigen.«
    Tannhäuser ging in seine Zelle, zog sich aus, nahm ein Handtuch und begab sich in den Garten. Als er dort ankam, erhaschte er einen kurzen Blick auf Elfenbein und Silber. Amparo wartete bereits in der Wanne unter den Sternen. Er hielt inne. Das war ein neuer Gedanke, ein seltsamer Gedanke. Er war es nicht gewohnt, sein Bad zu teilen. Er war es mehr als zufrieden, wenn ihn jemand einseifte, abschrubbte, einölte und ankleidete, jedenfalls wenn der Jemand eine Frau war. Aber ins selbe Wasser eintauchen? Amparos Gesicht schaute über den mit Eisen eingefaßten Rand der Wanne, engelsgleich, blaß und wunderschön im Mondlicht. Es war deutlich, daß ihr nicht bewußt war, wie radikal ihre Handlunggewesen war, aber genau diese Unbefangenheit machte ihren unvergleichlichen Zauber aus. Tannhäuser ging hinüber und prüfte die Temperatur mit der Hand. Das Wasser war noch warm von der Hitze des Tages. Dann schien das silberne Licht, das ihr Gesicht beleuchtete, auch auf zwei majestätische Brüste. Sie durchbrachen die Wasseroberfläche wie ein Willkommensgruß für den heimkehrenden Helden aus einem uralten erotischen Mythos. Der offene Blick, den Amparo auf sein anschwellendes Glied warf, spottete seinem Zögern noch mehr, und ohne weiteres Zaudern sprang er über den Rand der Wanne ins Wasser.
    Er hatte vorgehabt, seine müden Gliedmaßen in der Wanne zu entspannen und eine Weile alle Aufregungen aus seinen Gedanken zu verbannen. Amparos milchweißer Körper, der sanft und makellos an ihm entlangglitt und sich um ihn schlang, vereitelte dieses Vorhaben auf der Stelle. Er schaffte es mit Mühe, sich nicht gleich mit ihr zu vereinen, sondern strich lediglich an ihren Schenkeln entlang.
    »Du hast heute die türkischen Kanonen unschädlich gemacht«, sagte Amparo.
    Das war nichts, woran er gern zurückdachte.
    »War es furchtbar?« fragte sie.
    »Furchtbar?« wiederholte Tannhäuser erstaunt. Vielleicht wollte sie ihn trösten. »Wir haben viele Männer umgebracht, aber solche weltlichen Dinge sollten dir keine Sorgen machen.« Er küßte ihren Hals

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