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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Reiterei von De Lugny am Galgenpunktverlassen hatte, war Tannhäuser zwei Meilen an der Küste entlang in Richtung Süden geritten und hatte nach den versteckten Segelbooten des Ordens gesucht. Er erreichte das Küstendörfchen Zonra, ohne eines gefunden zu haben. Die Türken hatten den Ort – ein Dutzend Fischerhäuser – geplündert und alles mitgenommen, was als Feuerholz dienen konnte – Möbel, Türen, Balken, Fensterrahmen, Dachsparren. Von dem kleinen Pier waren nur die Pfähle übrig, die unterhalb der Wasserlinie abgesägt waren. Tannhäuser ritt noch eine weitere Stunde am Strand entlang und suchte jeden Fuß einer kleinen Bucht ab, jedoch ohne Erfolg. Schließlich beschlich ihn der Verdacht, daß La Valette alle seine Boote im Norden verborgen hatte. Die meisten waren ohnehin dort untergebracht, denn so waren sie näher an Mdina und auch an Sizilien. Aber alle Boote? Tannhäuser suchte weiter, bis er an einen länglichen Felsen kam. Der Felsen erhob sich so steil, daß man ihn nur mit entschlossenem Klettern bezwingen konnte. Etwa zwanzig Schritt ragte er in die Wellen hinein. Tannhäusers Schmugglerinstinkt war geweckt.
    Wie die meisten Ritter hatte er nie schwimmen gelernt. Er zog die Kleider aus und watete an der Klippe entlang. Bis er die ins Meer ragende Spitze erreicht hatte, stand er bis zum Hals im Wasser und zwang sich, die aufkommende Panik zu unterdrücken, als ihm Salzwasser in den Mund spülte und der Schiefersand unter den Füßen nachgab. Er behielt die Ruhe und umrundete die Felsspitze. Dahinter lag eine Bucht mit einem flachen Strand – kaum mehr als eine kleine Einbuchtung im Verlauf der Küste. Das Salz brannte ihm so in den Augen, daß er nichts erkennen konnte. Gerade wollte Tannhäuser seine eigene Klugheit verfluchen und sich wieder aufs Trockene retten, als eine Bewegung an der Wasseroberfläche seine Aufmerksamkeit erregte. Es war lediglich eine kleine Veränderung in der Art, wie das helle Licht auf Fels und Meer traf. Doch nachdem er sich die Augen gewischt und noch einmal genauer hingesehen hatte, konnte er es ausmachen: den Rumpf eines zwölf Fuß langen Bootes im Schatten der helleuchtenden Klippe. Man hatte geschickt ein Stück Segeltuch am landwärts gerichtetenDollbord des Bootes festgenagelt und über das Boot gebreitet, so daß das freie Ende bis ins Wasser hing. So von Meerwasser umspült, sah das Boot aus wie eine weitere Schicht grauen Küstengesteins. Von einer Galeere aus, die hundert Schritte oder weiter von der Küste entfernt vorüberfuhr, wäre das Boot so gut wie nicht zu sehen.
    Tannhäusers Freude über diese Entdeckung war so groß, daß er beinahe den Halt verlor und im Wasser versank. Der Kopf schwirrte ihm, bis er wieder beide Hände am Felsen hatte, auf die Beine gekommen war und sich hochstemmte, um nach Luft zu schnappen. Es beschämte ihn, daß ein Element, das er in allen anderen Aspekten beherrschte, ihn so hilflos machen konnte. Vorsichtig kroch er weiter an dem Felsen entlang und gelangte schließlich zu dem Boot. Nun reichte ihm das Wasser nur noch bis zur Taille, und seine Füße standen wieder auf festem Felsgrund. Tannhäuser schlug die Plane zurück und zog sich an Bord.
    Darin lagen zwei Paar Ruder, ein Mast und ein zusammengerolltes Lateinsegel. Außerdem gab es ein Faß Trinkwasser, eine geteerte Kiste – wahrscheinlich mit Schiffszwieback –, und hinter einer Klappe, die am Dollbord festgenagelt war, befanden sich ein Messer, Angelhaken und Angelschnur sowie ein in Öltuch eingeschlagener Kompaß. Sizilien lag fünfzig Meilen nördlich. Die Küste von Kalabrien, wo niemand nach Tannhäuser suchte und seinen Kopf auf einen Pfahl stecken wollte, war nur weitere fünfzig Meilen entfernt.
    Tannhäuser machte das Boot von den beiden Eisenösen los, die in den Fels geschlagen waren, und ruderte es um die Felsspitze herum, um seine Sachen zu holen. Es pflügte sich durch das flache Küstengewässer wie eine scharfe Klinge. Mit dem Lateinsegel und einer steifen Brise würde es auf See jede Galeere überholen. Am Strand sammelte er seine Sachen ein und ließ Buraq mit einem Hafersack dort stehen. Er ruderte das Boot nach Norden über die Bucht und steuerte in den kleinen Hafen von Zonra. Er zog das Boot an den Strand und drehte es im Windschatten eines Steinhauses um. Er deckte es mit der Plane ab und schaufelte eineStunde lang Schiefersand darüber. Vom Meer aus konnte man es nicht von der Mauer des Gebäudes unterscheiden. Vom Land aus

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