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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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zärtlich. Sein Gesicht leuchtete. Als seine Augen die herrlichen Verschnörkelungen musterten, hielt er inne, und sein Kopf fuhr zu Tannhäuser zurück. »In St. Elmo?«
    Tannhäuser sagte: »Hol deine Sachen!«
    Carla ging in der Dunkelheit vom Hospital nach Hause. Es war Pfingsten, Pascha Rosatum , der Tag, an dem der Heilige Geist in feurigen Zungen auf die Apostel herabgekommen war. Bei der Messe im Krankensaal hatte man Rosenblätter auf den Altar gestreut, und Carla hatte noch besser verstanden, was Gott von ihr wollte. Angelu war in der vergangenen Nacht gestorben. Man hatte seine Leiche fortgeschafft, ehe Carla angekommen war. Mit Angelus Tod waren einige ihre eitlen Vorstellungen ebenfalls zu Grabe getragen worden. Jacobus, mit dem sie den Morgen verbracht hatte, war mittags gestorben. Wenig später war ein Mann gestorben, dessen Gesicht von Säbelhieben zu entstellt war, alsdaß er selbst hätte sagen können, wer er war, während sie seine Hand hielt. Bei Sonnenuntergang hatten die Pfleger sie fortschicken wollen, aber Carla hatte sich mit den Mönchen angelegt und gewonnen. Zumindest hatte sie nun ihre alte Gewohnheit, immer recht haben zu wollen, in den Dienst einer guten Sache gestellt. Sie hatte um jeden Mann getrauert und hatte jedesmal gemeint, ihr müßte das Herz brechen, doch es war nur stärker geworden. Die lebendige Gegenwart Christi war ebenfalls noch mächtiger geworden.
    Als Carla in der Herberge ankam, glaubte sie, es sei niemand da, bis sie in den Mönchszellen nachschaute und dort Amparo fand, die leise vor sich hin weinte. Ihre Freundin kauerte auf dem Strohsack und hatte ihren Elfenbeinkamm an sich gedrückt. Auf dem Laken lag der Messingzylinder ihres Zauberglases. Carla hatte ihre Gefährtin noch nie in Tränen gesehen. Wortlos kniete sie nieder und streichelte Amparo über das Haar.
    »Sie sind über das Wasser gefahren«, sagte Amparo. »In die Hölle.«
    »Nach St. Elmo?«
    »Ich habe viele Leute darüber sprechen hören. Sie nennen es die Hölle.«
    »Und wer ist dahin gegangen?«
    »Tannhäuser und Bors. Sie haben gesagt, sie bringen Orlandu nach Hause.«
    Der Schmerz der Angst und Schuld fuhr Carla in den Magen. »Sie handeln aus Nächstenliebe. Gott wird sie schützen. Sie werden zurückkommen.«
    »Ich habe in meinem Zauberglas nachgesehen und habe ihn nicht darin gefunden. Ich konnte Tannhäuser nicht ausmachen.« Sie holte tief Luft. »Oh, ich liebe ihn so sehr.«
    Carla merkte, wie überwältigend und verwirrend dieser Gedanke für sie war. Sie nahm Amparos Hand und drückte sie. »Mattias ist ein guter Mann«, sagte sie, »mit einem großen Herzen.«
    »Liebst du ihn auch?«
    »Ja, auf meine Art.« Carla lächelte. Beinahe war sie überrascht,daß es kein falsches Lächeln war. »Ich sehe, wie er dich anschaut. Ich habe es vom ersten Augenblick an gesehen, als du ihm die Rosen im Garten gezeigt hast.«
    »Er hat mir erzählt, daß die Nachtigall glücklich gestorben ist, weil sie die Liebe gekannt hatte. Vielleicht aber hat Tannhäuser sie noch nicht gekannt.«
    Carla verstand nicht, was die Nachtigall bedeutete, doch nun war nicht die Zeit, danach zu fragen. »Ich bin sicher, daß er sie kennt, und ich bin genauso sicher, daß er nicht sterben wird.«
    »Ich habe Angst«, sagte Amparo. »Ich habe noch nie zuvor Angst gehabt.«
    »Liebe bringt immer Angst mit sich«, erklärte Carla. »Wenn man die Liebe kennt, weiß man auch, daß man sie wieder verlieren kann. Zum Lieben braucht es Mut und Stärke. Du besitzt beides.«
    »Bleibst du heute nacht bei mir?«
    Carla legte sich neben sie auf den Strohsack.
    Amparo fragte: »Können wir wieder musizieren? Zusammen?«
    »Ja«, antwortete Carla. »Bald.«
    Mit einer raschen Fingerbewegung löschte sie den Docht der Kerze im geschmolzenen Wachs, und Dunkelheit senkte sich über das Zimmer. Sie lagen da, hatten die Arme umeinandergeschlungen und sprachen kein Wort. Sie schliefen auch nicht. Nach einer Weile dröhnten die Kanonen, die seit Sonnenuntergang geschwiegen hatten, wieder los.
    Das Wasser war so reglos wie die Nachtluft. Der einzige Laut, den sie nach dem Verlassen von St. Angelo hörten, war das Eintauchen und Auftauchen der Ruder. Es war drei Tage vor Vollmond. Der Mond strahlte freundlich. Er hatte soeben den höchsten Punkt seiner Bahn durchlaufen, und wenige Grad unter seinem beschatteten Rand leuchtete der Kopf des Skorpions genauso hell. Tannhäuser sah das als gutes Omen an.
    Die Männer in den Booten waren

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