Das Sakrament
bunte Gewänder gekleidet und zählten etwa vierzig Mann. Angstrufe wurden laut, als sie den Bug des Christenbootes durch die silberne See auf sich zukommen sahen.
»Korsaren!« sagte Bors. Er blies auf seine Lunte, bis sie giftgelb glühte. »Wie gut es doch tut, ihnen einen Korsarenstreich zu spielen!«
»Der Steuermann«, sagte Tannhäuser, »kannst du ihn sehen?«
»O ja«, antwortete Bors.
Er stemmte einen Fuß gegen eine Bank, stützte den Ellbogen aufs Knie und legte die Waffe an. Zwei Ruderschläge lang nahm er das Auf und Ab des Bootes mit seinem Körper auf. Als sich das Boot das dritte Mal aus dem Wasser hob, drückte er den Abzug und hielt die Waffe ganz ruhig, während die Lunte auf die Zündpfanne schlug. Der neun Handspannen lange Lauf ruckte und bäumte sich auf, und Tannhäuser duckte sich unter dem Pulverdampf, um Ausschau zu halten. Es riß den Steuermann der Moslems von der Bank, und er verschwand in der nebligen Schwärze jenseits der Bootswand.
»Mitten in die Brust!« Bors küßte den Stahl des Musketenlaufs. »Was für eine Feuertaufe für meine Schöne hier! Ihr allererster Schuß! Ich werde diese Muskete Salome nennen, zu Ehren Johannes des Täufers. Salome war doch auch eine schmutzige Muselmanin, nicht wahr?«
»In jener Zeit gab es keine Moslems«, erklärte ihm Tannhäuser. »Damals gab es nur ein gutes Dutzend Christen.«
Bors nahm das als einen Witz hin. »Aber Weiber zuhauf, da können wir sicher sein.«
Tannhäuser zielte mit seinem Gewehr und beobachtete, wie die Ruderer der Korsaren wieder ihren Schlag fanden und das Flachboot vorwärts trieben. Die Freibeuter boten ihnen weiter die Breitseite. Für eine Drehung, die sie mit dem Bug nach vorn gebracht hätte, hätten sie rückwärts rudern müssen, die Steuerbordseite gegen die Backbordseite. Doch ohne ihren Steuermann herrschte nur Verwirrung. Ein anderer Mann sprang an die Ruderpinne, und Tannhäuser, der nur auf einen solchen Schachzug gewartet hatte, feuerte genau wie Bors beim Aufwärtsschlag der Ruder und streckte den Mann mitten zwischen seine Landsleute nieder. Nun war ein Zusammenstoß unvermeidlich. Tannhäuser ließ das Gewehr unter den Oberschenkeln auf die Bank gleiten und hoffte, daß so zumindest das Schloß trocken bleiben würde. Er packte mit jeder Hand ein Dollbord, stemmte beide Füße fest auf den Boden und hielt sich mit aller Kraft fest. Bors stopfte die Lunte seines Gewehrs, die immer noch rauchte, in den Schaft seines Stiefels und tat es Tannhäuser nach. Pfeile surrten auf sie zu und rammten sich zitternd in den Rumpf des Bootes. Sie legten die letzten hundert Fuß mit furchterregender Geschwindigkeit zurück. Nun war ihr Schwung nicht mehr aufzuhalten. Die Ruderbank der Moslems tauchte vor ihnen ins Wasser ein. Das Langboot bäumte sich aus dem Meer auf. Ein gebrüllter Befehl von Aiguabella, dann hörte Tannhäuser das Knirschen von Griffen in den Pinnen, als die Männer ihre Ruder einholten.
Ihrem Aussehen nach waren die Korsaren Algerier. Zu spät flammte ein Dutzend Musketen auf. Dann splitterte Holz, und Tannhäuser hielt sich fest, als ginge es um sein Leben, während sich vor ihm der Bug des Bootes aufbäumte und alles, was er noch sehen konnte, ein Aufblitzen des sternenübersäten Himmels war. Dann waren da nur noch Schreie, Flüche und das Rauschen des Meeres, das über den Korsaren zusammenschlug. Es drehte Tannhäuser den Magen um, als sich der Bug nun genauso steil wieder nach unten senkte. Dann stürzte Wasser über die Bordwand, abersie gingen nicht unter. Tannhäuser hörte, wie die Ruder wieder in die Dollen gelegt wurden, damit das Boot ruhig lag. Er wandte sich um.
In ihrem Kielwasser schwamm das gekenterte Flachboot der Korsaren. Ringsum im Wasser kämpfte eine verzweifelte Schar von Männern um ihr Leben. Von den Überresten des ersten Bootes der Christen schallten Hurra-Schreie zu ihnen herüber. Aiguabella befahl dem Steuermann, das Boot zu drehen. Die Besatzung erhob sich von den Bänken wie eine Rotte grimmiger Harpuniere, und während die gekenterten algerischen Freibeuter ihre letzten Gebete flüsterten, gaben ihnen die Malteser mit ihren Ruderblättern den Rest.
Sie steuerten den Kai von St. Elmo an. Tannhäuser war erleichtert, endlich wieder festen Boden unter den Füßen zu haben. Jenseits der hoch aufragenden und zerklüfteten Silhouette der Festung loderte der Himmel in feurigem Gelb. Große Brocken Mauerwerk waren aus den Befestigungen gesprengt worden und
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