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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Wasserträger?«
    Tannhäuser hatte innerhalb der Festung vier Batterien ausgemacht. Eine fünfte, hatte man ihm erklärt, befand sich auf einem Cavalier, den man außerhalb der Festung erhöht aufgeschüttet hatte und der mit der nördlichen, dem Meer zugewandten Mauer über eine Brücke verbunden war. »Ich glaube nicht, daß man ihn als Pulverjungen verwendet. Es dauert zu lang, bis jemand richtig ausgebildet und über die Feuergefahren unterrichtet ist.«
    Bors war nur zu begierig, ihm zuzustimmen. »Als Wasserjunge würde er mitten ins Handgemenge geraten.«In der Kapelle flackerte Kerzenlicht, die Luft war erfüllt vom Weihrauch und dem Duft des Tyrusholzes. Man hatte die Bänke herausgenommen und in den Brustwehren verarbeitet. Die Verwundeten lagen auf dem Steinboden oder saßen zusammengesunken an den Wänden. Ein Kaplan im prächtigen roten Ornat des Pascha Rosatum las die Messe an einem Altar, der mit Rosenblättern bestreut war. Daß jemand sich die Mühe gemacht hatte, an diesem Ort des Schreckens Blütenblätter auszustreuen, schien gleichzeitig wunderbar und wahnsinnig. Die Schmerzensschreie der Verwundeten, die von den beiden einzigen Chirurgen im Chorraum behandelt wurden, fuhren Tannhäuser durch Mark und Bein. Die Chirurgen standen zu beiden Seiten eines Tisches, sie waren blutbeschmiert, und auf ihren Gesichtern lag jene graue Müdigkeit, die Menschen erfaßt, die Qualen bereiten müssen, wenn sie zu heilen versuchen. Zwischen ihnen krümmte sich ein Mann in Schmerzen auf dem Tisch, und unter seinen Schreien konnte man das rhythmische Surren einer Knochensäge hören. Obwohl sie in den letzten zwei Wochen kaum mehr als zwei Stunden Schlaf am Tag bekommen hatten, strahlten die Chirurgen eine Standhaftigkeit aus, die rührender und geheimnisvoller war als alles, was Tannhäuser je gesehen hatte. Die Ritter waren ja schließlich Hospitaler, und diese ernsten Helden waren die Hüter der heiligen Flamme.
    Die übrigen Patienten hockten ruhig da und warteten darauf, selbst an die Reihe zu kommen. Im Vestibül warteten aufgereiht und in weiße Tücher gehüllt die Leichname der fünf gefallenen Ritter, die nun in die Gruft von San Lorenzo überführt werden sollten. Wie Tannhäuser gehofft hatte, lagen ihre Rüstungen und Schwerter neben ihnen. Die Ritter behandelten ihre eigenen Toten mit großer Hochachtung und hätten niemals daran gedacht, ihre Rüstungen an gemeine Soldaten weiterzureichen. Tannhäuser deutete auf die Ansammlung.
    »Wähle schnell! Beinzeug, Schuhe, Panzerhandschuhe, wenn sie passen.«
    »Wohin gehst du?« fragte Bors.
    »Mit der Wurst nach der Speckseite werfen.« Tannhäuser nahmseinen Rucksack ab. »Erinnere dich stets an mein Motto: Ein Mann, der Opium hat, hat immer Freunde.«
    Bors durchsuchte die Ausrüstung, die neben dem umfangreichsten Leichentuch lag. Tannhäuser näherte sich dem Altar. Er schaute zu, wie die Chirurgen ein Bein unterhalb des Knies amputierten. Sie versiegelten den Stumpf mit einer außerordentlich ausgeklügelten Kombination von Hautlappen und benutzten das Brenneisen nur selten. Es gelang ihm, ihre Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
    »Ist das die neue Technik, die Paré empfiehlt?« fragte er.
    Der Chirurg, der die Leitung zu haben schien, schaute Tannhäuser verwundert an. »Ihr seid überaus gut unterrichtet.«
    »Ich war in Saint Quentin, wo Monsieur Paré oberster Chirurg war, der sich damals gegen den übermäßigen Einsatz des Brenneisens aussprach.« Mattias erinnerte sich daran, daß Paré Hugenotte war, also ein Ketzer, und hoffte, daß er damit nicht den falschen Eindruck erregt hatte. »Ich nehme an, Ihr seid damit einverstanden.«
    »Die Ergebnisse sprechen für sich.«
    Tannhäuser streckte die Hand aus. »Mattias Tannhäuser von der deutschen Zunge.«
    »Jurien de Lyon von der provenzalischen.«
    Jurien zögerte, einzuschlagen, denn seine Hand war blutig, aber Tannhäuser ergriff sie unbeirrt. Er erklärte dem edlen Chirurgen, daß er La Valettes Beauftragter für die Inspektion der Verteidigungsanlagen sei, und zeigte ihm das Siegel des Großmeisters auf dem Pergament, das er von Starkey erwirkt hatte. Dann verwickelte er Jurien in ein Gespräch über den Zustand der Verwundeten und lobte seine Entscheidung, nur diejenigen in die Boote zu verschiffen, bei denen man eine gewisse Hoffnung hegen konnte, daß sie überleben und wieder in den Kampf zurückkehren könnten. Er beeindruckte Bruder Jurien mit seinem Wissen über die

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