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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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maltesischer Soldaten. Sie schleppten Felsbrocken den Hang hinauf zur Bresche im Westen, wo die Hitze unerträglich war und der Himmel schwarz von Fliegen. Als Orlandu sich im Geröll nach unten beugte, stellte Tannhäuser einen Topf mit Quittenmarmelade auf den Felsbrocken, den er aufheben wollte. Orlandu zwinkerte, als hätte er eine Fata Morgana gesehen, richtete sich dann auf und schaute seinen früheren Herren an.
    »Das«, sagte Tannhäuser und deutete auf die Marmelade, »ist der meistbegehrte Preis bei diesen Gesellen hier.« Er machte eine ausladende Handbewegung. »Deine Kumpane würden darum mindestens genauso wild kämpfen wie um diese Bresche. Was hältst du davon, den Topf mit mir aufzuessen?«
    Orlandu wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. Ohne zu antworten, schaute er auf die Marmelade. Tannhäuser nahm den Topf auf und warf ihn in die Luft. Blitzschnell packte Orlandu danach, ehe er auf dem Boden zerschellte. Tannhäuser lachte und entlockte auch dem Jungen ein Grinsen.
    »Komm«, sagte Tannhäuser. »Wir haben lange genug geschmollt wie die Weiber. Und tröste dich damit, daß niemand je seinen Stolz für einen höheren Preis verkauft hat.«
    Während die Türken sie ununterbrochen aus allen Himmelsrichtungen beschossen hatten, war Orlandu Tannhäuser Tag und Nacht aus dem Weg gegangen. Es war klar, daß er verletzt war und daß sein südländisches Blut kochte, weil man ihn beleidigt hatte. Tannhäuser hatte darauf vertraut, daß harte Arbeit ihn einwenig abkühlen würde. Er hatte darauf geachtet, daß der Junge nicht unnötig in Gefahr geriet, und auch einige andere damit beauftragt. Nun nahm Tannhäuser ihn mit in die Schmiede, die er nach dem Tod des Waffenschmiedes für sich beansprucht hatte. Nach drei Tagen Einsamkeit am Amboß, in denen er einen verbeulten Harnisch wiederhergestellt und sich in Erinnerungen ergangen hatte, war seine Zufriedenheit zurückgekehrt. Die großen Neuigkeiten von der Front – das Gezogene Schwert des Islam, Torghoud Rais, war von einer Kanonenkugel aus St. Angelo tödlich am Kopf verletzt worden – hatten ihn nur wie aus weiter Ferne erreicht. Für die völlig zerstörte Garnison von St. Elmo war das Ende nah. Nach seinen Berechnungen würde Mustafa bis zum Wochenende die Belagerung abschließen. Die Zeit war also reif, den Jungen auf seine Abreise vorzubereiten.
    Tannhäuser kochte seinen letzten Kaffee über der Esse. Während die Kanonenkugeln über ihm in den Bergfried einschlugen, aßen sie die Marmelade mit einem Holzlöffel und weinten beinahe vor Vergnügen. Tannhäuser drängte den Jungen nicht, ihm seine Pläne zu verraten. Statt dessen drängte Orlandu ihn.
    »Ich bin der Junge, nach dem Ihr gesucht habt, der am Vortag von Allerheiligen geboren ist, ja?« fragte er.
    »Ja, das bist du«, antwortete Tannhäuser.
    »Woher wißt Ihr das?«
    »Der Priester, der dich getauft hat, hat es aufgeschrieben, und ein frommer Mann hat es beschworen. Orlandu Boccanera.«
    »Ich will diesen Namen nicht. Boccanera war ein Schwein. Er hat mich nie als seinen eigenen Sohn betrachtet. Er hat mich wie einen Maulesel an die Leute verkauft, die den Dreck von den Schiffen kratzen. Ich werde als Orlandu di Birgu sterben.« Er schaute Tannhäuser an, als erwartete er Widerspruch.
    »Gut, dann eben Orlandu di Birgu«, erwiderte Tannhäuser. »Wenn du auch vielleicht Anspruch auf einen anderen Namen erheben solltest – einen viel wahrhaftigeren, wenn du klug bist.«
    »Dann stimmt es also? Ich bin der Bastard von Contessa Carla?«
    »Du bist ihr Sohn.«
    »Boccanera hat mir gesagt, meine Mutter sei eine Hure.«
    »Vielleicht hat er sie für eine gehalten, wenn er überhaupt wußte, wer sie war, was ich sehr bezweifle. Männer und Schweine gehen sehr schlecht mit Frauen um, die ihre Tugend opfern, besonders wenn sie es aus Liebe tun.«
    »Wahre Liebe?« wollte Orlandu wissen.
    »Ich kenne Contessa Carla«, sagte Tannhäuser. »Für weniger hätte sie ihre Tugend nicht aufgegeben.«
    Orlandus Augen begannen unruhig zu flackern. »Und mein Vater? Wer war mein Vater?«
    Tannhäuser war auf diese Frage gefaßt gewesen. »Das ist ein Geheimnis, das nur die Contessa kennt, und das ist das Recht einer Frau.«
    »Es ist einer der Ordensritter, nicht wahr? Eine solche Dame würde niemals für einen Geringeren – ihre Tugend opfern.«
    »Ich bin sicher, ihr Geschmack war so fein, wie man es nur erwarten konnte.«
    »Vielleicht einer von den großartigen Rittern hier in St.

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