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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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flackerte ein Feuer, in dem die Ritter alles verbrannten, was die Türken vielleicht gebrauchen konnten: Proviant, Möbel, Gobelins, Feuerreifen, Pikenschäfte, Hakenbüchsen, sogar die heiligen Ikonen und Gerätschaften, die sonst von den Feinden entweiht würden. Kein Zeichen hätte deutlicher verkünden können, daß St. Elmo sich auf sein Ende vorbereitete. Die Glocke der Kapelle läutete, und die Flammen loderten in die Dunkelheit hinauf. Ein seltsamer Frieden hatte sich über die Nacht gesenkt.
    Orlandu hatte ihn beim Schein des Feuers gesehen. Er war nackt bis auf seine Hosen, und sein magerer Körper und das schmutzige Gesicht mit den großen, dunklen Augen ließen ihn noch jünger aussehen, als er war. Um den Hals trug er ein winziges Behältnis, das mit Öltuch und Wachs versiegelt war. Tannhäuser freute sich, als er das Behältnis sah. In dem Köcher steckte ein Brief an Oliver Starkey, den er geschrieben hatte und in dem er einige Beobachtungen über den Zustand von Mustafas Heer und die Zahl und Größe der Belagerungskanonen niedergelegt hatte.Außerdem hatte er, weil er voraussah, daß Orlandu unbedingt nach St. Elmo würde zurückkehren wollen, noch hinzugefügt, man dürfe dem Jungen unter keinen Umständen eine Rückkehr erlauben. Weiter bat er Starkey, alles in seiner Macht stehende dafür zu tun, damit die Frauen in Sicherheit kamen.
    »Ich habe einen Auftrag von Oberst Le Mas«, verkündete Orlandu.
    »Eine große Ehre«, sagte Tannhäuser. »Erzähl mir mehr.«
    »Ich soll diese Meldungen bei La Valette abgeben und ihm sagen, was hier geschehen ist.«
    »Ich hoffe, du vergißt dabei meine Heldentaten nicht.«
    »O nein. Um Euch werden sie trauern wie um alle anderen Helden. Vielleicht sogar noch mehr.«
    Tannhäuser lachte. »Begrab mich noch nicht, mein Freund. Sag La Valette, daß der Fuchs vorhat, mit den Hunden zu rennen.«
    »Was soll das bedeuten?«
    »Er wird es wissen.« Tannhäuser streckte die Hand aus. »Paß auf die türkischen Scharfschützen am Ufer auf. Schwimm unter Wasser bis –«
    »Ich weiß, wie ich schwimmen muß.«
    »Halte dich eine Viertelmeile nach Norden, ehe du abbiegst.«
    »Den Weg kenne ich auch.«
    »Sag Bors und Contessa Carla, daß sie durchhalten sollen, bis ich sie wiedersehe – und gib ihnen zu verstehen, daß ich damit nicht das Jenseits meine! Sag Amparo, daß ich sie in meinem Herzen trage.«
    Orlandu blinzelte, als ihm Tränen in die Augen schossen. In einer plötzlichen, gefühlsgeladenen Bewegung schlang er die Arme um Tannhäuser, der ein Zucken unterdrückte, als der Junge dabei seine Wunde berührte.
    »Wir sehen uns auch wieder!« versprach er. »Denk an meine Worte! Und jetzt geh!«
    Orlandu wandte sich um und trottete über den Hof, bis er in der Dunkelheit jenseits der lodernden Flammen verschwundenwar. Tannhäuser verspürte eine ungeheuere Erleichterung und suchte Le Mas auf.
    Der Franzose war schwer verwundet von Schwertstreichen und Verbrennungen, war aber trotz allem auf den Beinen. Er sprach seinen Mitbrüdern Mut zu und ließ die Kanonen für den folgenden Tag in die Bresche bringen. Nachdem er bereits bei Kaplan Zambrana seine Sünden gebeichtet und das Altarssakrament empfangen hatte, war er willens und bereit, mit Tannhäuser seinen Branntwein zu teilen.
    Die beiden saßen auf zwei wunderbaren Stühlen, die Tannhäuser aus dem Feuer gerettet hatte. Tannhäuser dankte Le Mas dafür, daß er Orlandu mit der Botschaft fortgeschickt hatte. Er erzählte ihm etwas von der Geschichte des Jungen, die Le Mas aber offenbar nicht für bare Münze nahm.
    »Viele Berichte von den Eskapaden der närrischen Menschheit werden hier unerzählt bleiben und vergehen«, sagte Le Mas. »Schließlich ist das Leben eines jeden Menschen nichts als eine Geschichte, die dem, der es gelebt hat, erzählt wurde und nur ihm allein. Deswegen sind wir alle letztlich allein, bis auf die Gnade Gottes.«
    Sie tranken und dachten über die vergangenen Geschehnisse nach. Weniger als vierhundert Verteidiger konnten sich noch in die Bresche werfen, und von denen hatte nur eine Handvoll bisher keine schweren Verletzungen davongetragen. Allein am vergangenen Tag waren zweitausend Moslems niedergemacht worden. Le Mas schätzte, daß weitere siebentausend draußen vor den Wällen lagen und verwesten. Die Verluste des Ordens würden sich, wenn alles vollbracht war, auf fünfzehnhundert Mann belaufen.
    »Fünf von denen für einen von uns, nicht schlecht«, meinte Le Mas, »wenn

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