Das Sakrament
Ausfallpforte, und er beobachtete, wie die Fackelträger hindurchgingen und auf den Strand zuhielten. Starkey, Romegas, Del Monte und eine große Schar von Feldwebeln – als erwartete man jeden Augenblick den Papst.
Dann tauchten die Langboote aus dem Nebel auf, als kehrtensie aus einer Unterwelt jenseits des Nebels zurück. Es zeigte sich, daß sie bis zum Rand voller bewaffneter Männer in Rüstungen waren. Es waren Hunderte. Während die gespenstische Gesellschaft an Land ging, machte das Langboot kehrt, fuhr über die Bucht, um später mit noch mehr Männern und Gepäck zurückzukommen. Die frischen Truppen strömten durch das Kalkara-Tor nach Birgu hinein.
Bors eilte die Treppen hinunter und sprach einen der vorübergehenden Männer an. Es war ein Extrameño namens Gomez. Vier Galeeren, die Garcia de Toledo geschickt hatte, waren von Messina aus aufgebrochen und hatten nun diese kostbaren Entsatztruppen unter der Führung von Melchior de Robles an der Nordwestküste von Malta abgeladen. Sie hatten sich in Mdina versammelt und einen Boten zu La Valette geschickt. Dann hatte ihnen der glückliche Zufall dieses Sommernebels Deckung gegeben, und sie waren nach Birgu marschiert, südlich am türkischen Lager vorbei und über die Hänge des San Salvatore am anderen Ufer der Kalkara-Bucht. Es waren waghalsige Gesellen, insgesamt zweiundvierzig Ordensritter, zwanzig adelige italienische Abenteurer, dazu noch drei deutsche und zwei englische Herren, die ähnliche Absichten hatten, fünfzig erfahrene Artilleristen, und sechshundert Mann spanische Infanterie. Nicht die zwanzigtausend, die man erwartet hatte, aber La Valette umarmte sie trotzdem für ihren Heldenmut.
Wenig später tauchte eine weitere Gestalt im Tor auf, ein großer Mann, der einen Augenblick lang im Fackelschein stehenblieb, als wolle er seine Rückkehr gebührend genießen. Bors fiel sofort die hervorragende Machart seiner Rüstung auf – es war ein Riffelharnisch, wunderbar schwarz poliert. Der Ritter trug ihn über einem weißen Mönchsgewand. Um die Taille hatte er sich statt des Rosenkranzes ein Schwert umgegürtet. Irgend etwas an der Haltung des Mannes, an seinen straffen Schultern, dem großen, stolz gereckten Kopf, jagte Bors kalte Schauer über den Rücken. Der Mann trug einen schwarzen Schaller, Nasen- und Wangenschutz waren im alten venezianischen Stil gehalten, und auf der Kalotte prangte im Relief ein Christus am Kreuz. Diesen Helm nahm derMann plötzlich ab, klemmte ihn sich unter den Arm, beugte das Knie bis zu den Pflastersteinen hinunter, bekreuzigte sich und sagte Dank. Selbst in dieser mörderischen Gesellschaft wirkte er wie ein Leopard, der mit einem Rudel Wölfe lief. Als er sich wieder aufrichtete, glänzten seine Augen wie schwarze Murmeln im Licht der Flammen. Er atmete tief durch und blickte sich um, wie ein Mann, der ein Königreich musterte, das er bald zu bezwingen hoffte.
»Heiliges Kreuz!« murmelte Bors.
Eine weitere Gestalt erschien hinter der ersten im Torbogen, wenig stattlich und doch ebenso tödlich wie eine lauernde Schlange. Auch dieser Mann nahm den Helm ab und zeigte die sinnlichen, leeren Augen, an die sich Bors noch vom Kai von Messina erinnerte. Anacleto musterte die Festungsmauern. Bors wandte sich ab und ging die Stufen zur Brustwehr hinauf.
Ludovico Ludovici war zurückgekehrt. Es war höchste Zeit, daß die Mäuse sich still verhielten.
In jener Nacht traf sich Ludovico mit La Valette und allen Prioren des Ehrwürdigen Ordenskapitels. Auch Melchior de Roblès, der Befehlshaber der Entsatztruppe, war anwesend. Er gehörte nicht zum Orden, sondern war ein Ritter des spanischen Santiago-Ordens. Auf der Überfahrt von Messina hatte Ludovico sein Vertrauen gewonnen. Roblès hatte dem Ehrwürdigen Ordenskapitel deutlich gemacht, daß erst Ludovico den Vizekönig Toledo überredet hatte, die Verstärkung zu schicken.
Die Stimmung des Ordenskapitels spiegelte die der Stadt wider, war also dementsprechend düster. Die Stadt war völlig überfüllt, und die Schwierigkeiten waren noch dadurch verschärft worden, daß die Ritter eine Reihe von Häusern für Verteidigungszwecke geschleift hatten. Man hatte auf L’Isla eine Zeltstadt für die Flüchtlinge errichtet, in der nun die neu aufgestellten türkischen Feldkanonen furchtbaren Schaden anrichteten. Lebensmittel waren indes noch nicht knapp geworden. Jeder Einwohner erhielt drei kleinere Brote am Tag, und Getreide, Öl, Salzfleisch und Fisch waren noch
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