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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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auf Danas Brüste, und sie reagierte mit einem obszönen Schmollen.
    »Mattias, mein Freund«, fuhr Sabato fort. »Fünfundachtzig Zentner Pfeffer aus Java liegen in Ägypten und warten auf uns.« Er wedelte Tannhäuser mit dem Brief unter der Nase herum, als sei er mit Myrrhe parfümiert. »Und in einem Lagerhaus, das unserem Ansinnen außerordentlich geneigt ist.«
    Tannhäuser erhaschte einen Blick auf die hebräischen Schriftzeichen. »Mosche Mosseri?«
    Sabato nickte. »Fünfundachtzig Zentner – und in einem Monat sind die für immer fort.« Er lehnte sich vor. »Jede Stadt in ganz Europa schreit nach Pfeffer. Die Franzosen essen nicht einmal mehr ihre Suppe ohne Pfeffer. Zeno, d’Este und Gritti versuchen einander zu überbieten. Hast du auch nur eine Vorstellung davon, wieviel sie zahlen würden?«
    Tannhäuser blickte finster.
    »In drei Wochen bist du in Alexandria, füllst den Laderaumnoch mit Muskatblüte, Bienenwachs und Seide auf, und in acht Wochen zählen wir auf dem Markusplatz unsere Golddukaten.« Sabato hatte Frau und zwei Söhne in Venedig, nach denen er sich von Herzen sehnte. Tannhäuser kannte ihn jedoch besser und wußte, daß Gefühle allein ihn niemals nach Hause treiben würden. »Möchtest du den geschätzten Betrag hören? Den vorsichtig geschätzten Betrag?«
    »Wenn es denn sein muß.«
    »Fünfzehntausend Gulden. Eher noch zwanzig.«
    Diese Summe war so ungeheuerlich, daß Tannhäuser sogar seine Hand unter Danas Rock hervorziehen mußte, um sich das Kinn zu reiben. Die Bartstoppeln kratzten an seinen Fingern, und Dana gab ein wütendes Knurren von sich.
    Beinahe wie einen nachträglichen Einfall fügte Sabato hinzu: »Für die Hinreise habe ich eine Ladung Zuckerrohr besorgt.«
    Sabato überraschte Tannhäuser gewöhnlich mit diesen Handelsabenteuern, wenn sie in der Planung bereits so fortgeschritten waren, daß er kaum noch eine Wahl hatte und sich einfach darauf einlassen mußte. Der Erfolg des »Orakel« war offensichtlich gewesen und hatte ihnen neue Kreditmöglichkeiten eröffnet, die sie zusammen mit den bereits vorhandenen beinahe nach Belieben nutzen konnten. Tannhäuser war jedoch immer noch nicht überzeugt und suchte nach einem neuen Hinderungsgrund.
    »Ein Navigator? Ein Schiff? Ein solides Schiff, wohlgemerkt, nicht eines dieser wurmzerfressenen Teesiebe, mit denen du mich früher auf See geschickt hast!«
    »Dimitrianos. Und die Zentaurus .«
    Der Gedanke an den schrecklichen Gestank, an die endlosen Wochen der Langweile und an das unaufhörliche Jammern des Griechen über seine Verluste beim Kartenspiel bewirkte einen unangenehmen Krampf in Tannhäusers Gedärmen. Aus Rücksicht auf Dana unterdrückte er das Verlangen, einen Wind streichen zu lassen. »Zu viele Eisen im Feuer, und schon kühlen einige ab«, warnte er. »Außerdem mag ich den Griechen nicht.«
    »Der Grieche wartet, und seine Taschen sind leer. Wir könneninnerhalb von drei Tagen laden. Die beste Zeit, um in See zu stechen …«, Sabato zuckte die Achseln, während er die Last auf Tannhäuser abwälzte, »… hängt natürlich immer von deinen Informationen ab.«
    Tannhäuser hatte einen Fuß in jedem der feindlichen Lager. Für die Venezianer, die spanischen Herrscher von Sizilien und die Ritter von Malta war er ein inzwischen geachteter Kaufmann, der mit Opium, Waffen und Munition handelte. Für die Moslems war er Ibrahim Kirmizi – Ibrahim der Rote –, ein Veteran des Blutbades von Ostanatolien und im Iran. Er kannte die Art der Ottomanen, ihre Sitten und Sprachen. Tannhäuser hatte Handelspartner in Bursa, Smyrna, Tripolis und Beirut. Er hatte Seide und Opium von Mazandaran verschifft. Kein Mensch in der Christenheit kannte die Küste von Stambul – und Eminönü und Üsküdar und den Buyuk Carsi und die Bäder und Herbergen und Basare dort – so gut wie er. In Messina war er wohlvertraut mit Lotsen, Aufsehern und Navigatoren, die ihm wertvolle Informationen geben konnten – über Waren und Schiffe auf der Durchfahrt, über Konkurrenten, deren Stern stieg oder fiel, über beschlagnahmte Schiffsladungen, die zur Auktion kommen würden, über Seeräuber und Intrigen, über den Wandel der politischen Geschicke in fremden Landen. Er fragte auch die Sklaven in ihren Gefängnissen am Dock aus, am meisten die Moslems, denn die waren ja für alle anderen stumm. Diese Männer brachten ihm Kunde von den Küsten der Berberei, die ihm niemand sonst verschaffen konnte. In einer Zeit, da Nachrichten sich

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