Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
daß er es eigentlich besser wissen müßte, aber der Gedanke an einen kleinen Besuch in seiner Kammer schien ihm ungeheuer anziehend. Die Liebe war gut für die Verdauung, und obwohl er noch eine Reihe von Aufgaben zu erledigen hatte, fiel ihm doch keine ein, die im Augenblick dringend gewesen wäre. Er sog den Duft ihres Körpers ein und seufzte. Danach noch ein kleines Nickerchen. Welche Freuden konnte der Kosmos sonst noch für ihn bereithalten?
    Dana zog ihn am Haar, und er schob den Stuhl ein wenig zurück. Leider jedoch hatte er sich zu lange bei seinen erotischen Träumen aufgehalten. Ehe er Dana beim Arm nehmen und sich mit ihr davonstehlen konnte, tauchte Sabato Svi aus den Tiefen des »Orakels« auf und setzte sich zu ihm an den Tisch.
    Außer einem höflichen Nicken schenkte Sabato der Serbin und dem finsteren Blick, den sie ihm zuwarf, keinerlei Aufmerksamkeit. Er schuf sich zwischen den Büchern einen Platz für seine Ellbogen, schüttelte die öligen Locken, die ihm unter seiner Jarmulke von den Schläfen baumelten, und lächelte Tannhäuser mit seinen tiefen Augen an, in denen immer eine Flamme göttlichen Wahnsinns loderte. Sabato zog einen Brief aus dem Ärmel, und Tannhäuser zuckte zusammen. Er konnte sich noch nicht überwinden, seine Hand wegzuziehen, liebkoste aber Danas Fleisch etwas weniger intensiv und brachte gar einen Gruß zustande.
    »Sabato«, sagte er. »Neuigkeiten?«
    »Pfeffer«, erwiderte Sabato.
    Sabato war ein furchtloser Jude aus dem Ghetto von Venedig. Mit seinen siebenundzwanzig Jahren war er zwar zehn Jahre jünger als Tannhäuser, ihm aber in allen Angelegenheiten weit voraus, die mit ihrem Wohlstand zusammenhingen. Sie waren schon ein halbes Jahrzehnt lang Geschäftspartner, und doch hatten sie in all der Zeit niemals miteinander Streit gehabt, selbst wenn einmal ein kleiner Fehler dazu führte, daß sie unversehens der Sklaverei oder einem schlimmeren Schicksal ins Auge blickten. Sabato machte sich ein Vergnügen daraus, Leute durch klug kalkulierte Bemerkungen zur Weißglut zu bringen, indem er, wenn zähe Verhandlungen ihrem Höhepunkt entgegengingen, in gespielter Wut aus dem Raum ging, indem er Raufbolden, die dreimal so schwer waren wie er, unverschämte Fragen stellte. Trotzdem schaffte es Sabato, daß sich mit einigen denkwürdigen Ausnahmen alle diese Situationen zu seinen Gunsten entschieden. Tannhäuser ging sehr wählerisch mit seiner Zuneigung um, denn diejenigen, denen er sie schenkte, hatten allzuoft einen Hang zum Unglück gehabt. Doch wenn jemand dazu bestimmt war, ihn zu begraben, dann war das Sabato Svi. Tannhäuser liebte keinen Menschen mehr als ihn.
    »Ich habe es dir doch bereits gesagt«, sagte Tannhäuser. »Ich weiß beinahe nichts über Pfeffer, und es juckt mich auch nicht, mehr darüber zu erfahren.«
    »Ich habe dir doch bereits alles erzählt, was du wissen mußt«, antwortete Sabato. »Und das ist, daß der Pfefferpreis sich zwischen dem Lagerhaus in Alexandria und dem Marktstand in Venedig mehr als vervierfacht.«
    »Wenn ich dem Warenzoll und der Bastonade entgehe …«
    »Was dir, wie immer, gelingen wird.«
    »… und wenn ich nicht von El Louck Ali gefangengenommen und ans Ruder einer Galeere gekettet werde …«
    »Dieser Moslem ist gerade unterwegs, um sich der Armada des Sultans anzuschließen, genau wie Torghoud Rais, Ali Fartax und jeder andere Korsar auf dem gesamten Mittelmeer.«
    »Und von wo segeln Suleimans Mamelucken nach Malta? Von Alexandria!« entgegnete Tannhäuser zufrieden.
    Sabato deutete auf die Lagerhöfe hinter der Tür. »Sieh sie dir doch an, die Genueser! Sie hocken hier in der Bucht wie Muschelsammler, aber für einen Mann wie dich ist doch das Meer noch nie sicherer gewesen.«
    Tannhäuser, den man mit einer Herausforderung seiner Stärke immer leicht herumbekommen konnte, unterbrach seine Zärtlichkeiten. Dana spannte ihre Hinterbacken an, um ihre Enttäuschung kundzutun, und er machte weiter, war aber nicht mehr so sehr bei der Sache. Wenn er der Flotte der Moslems aus dem Weg gehen konnte, die um Malta zusammenlief, dann wäre der ganze Rest des Meeres diese paar Wochen lang wirklich außergewöhnlich ruhig. Genau da fuhr ihm Dana mit dem unheimlichen Gefühl für den rechten Augenblick durch das Haar.
    »Ich habe nichts für das Meer übrig«, antwortete er. »Es ist ein steiniges Feld, das ich schon viel zu lange beackert habe, und ich habe vielleicht hier wichtige Pflichten zu erfüllen.«
    Sabato schaute

Weitere Kostenlose Bücher