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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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fuhr Tannhäuser fort, »die englische Zunge würde dich freudig begrüßen. Wenn du die letzte Gelegenheit ergreifen willst, dann geh. Niemand hier wird dich wortbrüchig nennen.«
    Tannhäuser schaute Bors in die Augen, die von einem Netz von vernarbter und faltiger Haut umgeben wurden. Wenn Bors beschloß, sich dem Krieg zwischen dem Kreuz und dem Halbmond anzuschließen, dann würde Tannhäuser mit ihm fahren – was Bors nicht ahnte, denn er war kein Mann, der von anderen Opfer um seinetwegen erwartete. Sabato wartete mit angehaltenem Atem auf die Entscheidung. Bors schenkte sich grunzend den Becher noch einmal voll.
    »Vielleicht ist es kein Zufall«, meinte Bors, »daß ich der einzige Mann hier an diesem Tisch bin, der nicht beschnitten ist.«
    »Dieses Ungleichgewicht zumindest ließe sich beheben«, meinte Tannhäuser.
    »Da müßtest du mir aber zuerst den Kopf abschneiden.«
    »Ganz gleich, womit wir anfangen, wir könnten dadurch deine Laune nur verbessern.« Tannhäuser lachte. »Komm schon, entscheide dich! Bist du einer von uns oder einer von den Fanatikern?«
    »Wie du schon gesagt hast, wir sind eine verschworene Gemeinschaft, wir stehen und fallen miteinander«, grummelte Bors. »Bis zum bitteren Ende.«
    Sabato Svi blies erleichtert die Backen auf.
    Tannhäuser stand auf. »Dann wollen wir jetzt gehen und unsere Waren verhökern.«
    In seiner Kammer zog sich Tannhäuser um, legte ein burgunderrotes seidenes Wams an, das von goldenen Streifen durchzogenwar. Er gürtete sein Schwert um, das von Julian del Rey gefertigt war und als Knauf einen silbernen Leopardenkopf hatte, fuhr sich mit der Hand nur über die Bartstoppeln, anstatt sich zu rasieren. Er besaß zwar keinen Spiegel, aber er war überzeugt, daß er die auffälligste Erscheinung am ganzen Ufer sein würde. Bors brüllte von der Straße unten seinen Namen und eine unflätige Bemerkung hoch, und Tannhäuser gesellte sich zu ihm.
    Draußen warteten acht zweirädrige Ochsenkarren. Die großen Tiere standen gelassen in der Sonne. Die Karren waren mit Schießpulver, Kanonenkugeln aus Messing, Holzkohle aus Weidenholz und Bleibarren beladen. Bors saß ungeduldig auf seinem Braunen, während Gasparo Buraq am Zügel hielt.
    Tannhäuser fragte: »Gasparo, wie geht es heute?«
    Gasparo war ein stämmiger junger Mann von sechzehn Jahren, schüchtern, aber treu wie Gold. Er antwortete mit einem Grinsen, verlegen über die Ehre, daß Tannhäuser sich nach ihm erkundigt hatte. Tannhäuser schlug ihm freundlich mit der Hand auf den Rücken und wandte sich Buraq zu. Buraq war ein Teckiner aus der Oase von Achal. Diese Rasse hatte den Vorvätern als heilig gegolten, die Tiere waren auch als Nisäische Pferde bekannt. Ein solches Pferd hatte Dschingis Khan geritten. Es waren die schnellsten, stärksten und anmutigsten Tiere. Buraq hielt den Kopf hoch erhoben und bewies seine angeborene Majestät. Sein Fell hatte die Farbe frisch geprägter Goldmünzen. Sein Schweif und die kurze buschige Mähne waren golden wie Weizenähren. Tannhäuser fütterte ihn mit Hammelfett und Gerste und hätte ihn auch im »Orakel« untergebracht, wenn seine Partner ihn gelassen hätten.
    Tannhäuser streichelte das Pferd. »Er ist einfach der Schönste«, sagte er, und Buraq schnaubte und warf den langen Hals zurück.
    Tannhäuser stieg auf und fühlte sich sofort wie ein Kaiser. Buraq brauchte keine Stange, so weich war er im Maul. Die liebevolle Einheit zwischen Pferd und Reiter war vollkommen. Buraq setzte sich in Bewegung, als sei der ganze Wagenzug seine Idee gewesen. Die Karrenführer ließen die Peitschen knallen, und dieOchsen stemmten sich mächtig in die Spuren. Von den Reitern angeführt, setzte sich der Wagenzug in Richtung Hafen in Bewegung.
    Sizilien war zwar allgemein nicht besonders aufgeschlossen für Menschen wie sie, aber Messina, das jahrtausendelang Dutzende von Eroberern überdauert hatte, war offen für Fremde, Schurken und Unternehmer jeglicher Couleur. Es war eine unabhängige Republik, hatte so viele Einwohner wie Rom und scherte sich so wenig um die letzten – die spanischen – Eroberer, welche die Insel gerade bis auf die Knochen aussaugten, wie es sich um die Römer, die Araber, die Normannen und den ganzen Rest geschert hatte. Es war eine turbulente und reiche Stadt, und da der sichere Hafen von Kalabrien nur zwei Meilen über die Meerenge entfernt lag, beherbergte Messina eine ungeheure Anzahl von Gesetzlosen von jeglichem Stand. Hier plünderte

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