Das Sakrament
nicht und ist nicht gezeugt. Und kein Wesen ist Ihm gleich.«
»Allahu akbar . « Abbas’ Hand lag noch immer auf seinem Arm. Er drückte ihn. »Ibrahim, unseren Glauben an Allah dürfen wir niemals verlieren, selbst wenn wir den Glauben an unsere Mitmenschen verlieren, selbst wenn wir den Glauben an uns selbst verlieren.«
Als er ihn mit der Hand berührte, bemerkte Tannhäuser zum erstenmal, wie zart und zerbrechlich Abbas war. In seinen Gedanken war er ihm immer wie ein Riese vorgekommen. Er sagte: »Den Glauben an die Menschen kann ich nicht ganz aufgeben, und ich kann dir sagen, ich habe es wirklich versucht. Vielleicht wird das noch mein Untergang.«
Abbas nickte voller Zweifel, als fürchtete er, weitere Gotteslästerungen könnten folgen. »Du bist nicht gerade bei bester Gesundheit, und ich habe dich durch unser langes Gespräch zu sehr angestrengt. Ich muß nun die Nachtwachen abschreiten, und du solltest schlafen.« Während Abbas auf den Ausgang des Zeltes zuging, blieb er noch einmal stehen und wandte sich um. Alswollte er die Stimmung ein wenig aufheitern, fügte er hinzu: »Und morgen erzählst du mir mehr über den Pfefferhandel.«
»Gern, aber sage mir, wo ist der Äthiopier?«
Abbas schaute ihn an. »Er ist fort. Er gehört Admiral Piali.«
Tannhäuser schaute Abbas nach. Als er sich erschöpft auf das Bett legen wollte, bemerkte er zwei weiße Seidentücher auf dem Kissen, die jeweils um einen Gegenstand geschlagen waren. Aus dem ersten Tuch wickelte er den Goldreif, den er um die Fessel getragen hatte.
Ich komme nach Malta nicht für Reichtümer und Ehre, sondern um meine Seele zu retten.
Vielleicht hatte ihm dieser Reif das Leben gerettet. Er legte ihn um sein Handgelenk. Dann nahm er den zweiten Gegenstand in die Hand und wußte sofort, daß es ein Messer war. Sein Herz pochte schneller bei dem Gedanken, den er sich kaum einzugestehen wagte. Er wickelte das Päckchen aus. Es war ein eleganter Dolch. Der Griff war aus Silber, kunstvoll verziert, und hatte einen Rubin am Knauf. Die Scheide war aus rotem Leder und mit Granaten besetzt. Dann zog er den Dolch heraus, und sofort schlug ihm wieder das Herz bis in den Hals. Im Gegensatz zu der herrlichen Fassung war der Dolch grob geschmiedet, doch glänzten die Schneiden messerscharf. Der Stahl war matt und hatte schwarze Streifen. Tannhäuser erkannte die Waffe sofort. Dieser Dolch war zum Gesang eines Engels geschmiedet und im Blut eines Teufels abgekühlt worden. Er hatte ihn selbst vor langer, langer Zeit gemacht.
In der Schmiede von St. Elmo schnitt Tannhäuser mit dem Dolch ein Stück Opium klein und packte dann alles in seine Satteltasche. Er steckte sich den russischen Goldring an den Mittelfinger der rechten Hand und paßte die Steinplatte wieder in die richtige Stelle im Boden ein. Schließlich band er sein Pferd am Amboß fest und machte sich auf den Weg in den verlassenen Solar, wo er sein Radschloßgewehr und den Beutel mit den Kugeln völlig unberührt in dem Versteck unter den zerborstenen Dachbalkenfand. Er hängte sich den Schlüssel für das Gewehr um den Hals. Dann holte er seine Stute ab und ritt aus der Festung, vorüber an dem unterwürfigen Bulgaren, zur Bucht von Marsamxett. Hier lagen der größte Teil der türkischen Flotte und alle algerischen Korsaren sicher vor Anker.
Nach seinem Mahl mit Abbas hatte Tannhäuser voll düsterer Gedanken drei Tage und Nächte in den Kissen gelegen und sich nie weiter fortgewagt als bis zur Küche oder zur Latrine. In diesem erbarmungswürdigen Zustand überlegte er zwischen Etappen betäubten Schlafs, was er nun als nächstes machen sollte. Er war jedoch zu keinem Entschluß gelangt. Kaum hatte er sich die Vorteile der einen Handlungsweise vor Augen geführt, als er sich auch schon wieder von den Vorteilen einer anderen überzeugte.
Der klare Menschenverstand sprach dafür, sich den Ottomanen anzuschließen. Früher oder später würde Malta fallen. Die Beharrlichkeit der Türken kannte keine Grenzen, und es war einfach unvorstellbar, daß sie je zurückweichen würden, am allerwenigsten in einem Krieg. Wie Tannhäuser es mit den Händlern im Basar besprochen hatte, würde es ihm die Eroberung Maltas ermöglichen, einen fetten Gewinn zu machen, und auf die Fürsprache und den Reichtum von Abbas bin Murad konnte er zählen. Im Garten der Herberge von England war unter seiner Wanne ein Vermögen an Opium verborgen. Es würde ein leichtes sein, es während der allgemeinen Plünderung
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