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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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wünschte, unser Kriegsrat wüßte das auch.« Nun war der Grund für seine vorherige schlechte Laune offenbar. »Mustafa fehlt die Geduld, um die Kanonen und die Mineure ihr Werk vollenden zu lassen. Grabt, sage ich ihm, unterminiert ihre Mauern und zerstört sie von unten. Doch sein Blut gerät über Massenangriffe in Wallung, da ist er wie ein Spieler, der zu viel Gold auf einem Haufen sieht und alles riskieren muß, um seine Freude zu finden. Zumindest hat er meine Forderung angenommen, daß wir zwei Belagerungstürmebauen sollen. Im Augenblick werden in Marsaxlokk zwei Galeeren für das Bauholz ausgeschlachtet.«
    Abbas hatte einmal bei dem berühmten griechischen Dewschirme Sinan, dem Meister der Kriegsmaschinen des Sultans und Erbauer von tausend Moscheen, Architektur studiert. Mit kaum verhohlenem Stolz fügte er hinzu: »Die Türme werden nach meinen Entwürfen gebaut, sind wohl aber erst in zwei oder mehr Wochen fertig. In der Zwischenzeit werden weiterhin die Leben unserer Männer verschwendet.«
    Wenn die Türken Kriegsmaschinen bauten, die eher für die Antike als für die Neuzeit geeignet waren, so schien es Tannhäuser, dann mußten die Belagerer der Verzweiflung nah sein. Er behielt diesen Gedanken für sich und fragte: »Und Piali?«
    »Kapudan Pascha Piali ist der klügere Stratege, aber sein Denken wird von seiner Angst um die Flotte des Sultans beherrscht. Er ist verzweifelt darauf erpicht, diese Belagerung abzuschließen, ehe die stürmischen Herbstwinde hereinbrechen. Denn wenn sie kommen, sitzt die ganze Flotte hier den Winter über fest. Wir sind tausend Meilen von der Heimat entfernt. Manchmal erscheint es mir noch weiter zu sein.«
    Tannhäuser fand keine Worte des Trostes oder der Ermutigung, wie sehr er sich auch bemühte.
    »Wir werden siegen, wenn das Allahs Wille ist«, fuhr Abbas fort. »Aber wir müssen einen hohen Preis dafür zahlen. Besonders bei den Janitscharen.«
    »Der Preis für die Janitscharen ist immer hoch.«
    »Das ist ihre Berufung.« Abbas musterte Mattias einen Augenblick lang. »Du bist im Basar als Opiumhändler bekannt. Man sagt, daß du, wenn Malta gefallen ist, mit Pfeffer aus Alexandrien Handel treiben willst.«
    Abbas hatte die Ohren offengehalten, und Tannhäusers Maskerade hatte sich als nützlich erwiesen. Er dachte an Sabato Svi und mußte im stillen lächeln. Sabato würde sich köstlich amüsieren, wenn er wüßte, daß sein Vertrauen zum Pfeffermarkt sich nun bis ins Oberkommando des türkischen Heeres erstreckte.
    Er antwortete: »Die Zukunft des Reiches liegt mehr im Handel als im Krieg.«
    »Warum hast du die Janitscharen verlassen?«
    Diese Frage kam ohne jede Warnung oder Drohung. Tannhäuser gab seine übliche Antwort. »Man kann nur soundso oft durch den Iran marschieren, und dann stellen einem die Füße die Frage, ob man seinem Sultan nicht auf andere Art und Weise dienen kann.«
    Abbas lächelte. »Die Kullar des Sultansschwertes haben keine Wahl in diesen Angelegenheiten. Du hast dich zurückgezogen, ehe du das Alter erreicht hattest, in dem man das normalerweise gestattet, und dabei hattest du Aussichten auf höchste Beförderung.«
    Tannhäuser hatte nicht erwartet, daß Abbas so gut unterrichtet wäre. Er antwortete nicht.
    »Ich will dir eine Geschichte erzählen, die ich gehört habe«, sagte Abbas. »Das tragische Schicksal des ältesten Sohnes unseres Sultans, Prinz Mustafas, ist wohlbekannt. Als Mitglied seiner persönlichen Leibwache wirst du es besser kennen als die meisten.«
    »Wahrhaftig«, erwiderte Tannhäuser. »Ich habe gesehen, wie man den Leichnam des Prinzen auf den Teppich vor dem Zelt unseres Sultans warf.«
    Damals lebten noch vier von den acht Söhnen, die Suleimans zwei Frauen ihm geboren hatten. Prinz Mustafas Mutter war Gulhabar, die bei Hof und in Suleimans Herz längst von Roxellane, der »Russin« und Mutter der drei anderen Söhne, verdrängt worden war. Roxellane wußte, daß Mustafa, wenn er seinem Vater auf den Thron folgen sollte, seine drei Halbbrüder ermorden lassen würde. Die osmanische Tradition des Brudermordes war seit alten Zeiten geheiligt. Suleiman selbst war der einzige Überlebende von einigen Brüdern. Sein Vater, Selim der Grimmige, hatte die anderen vier ermordet, so daß nur Suleiman als möglicher Herrscher übrig blieb.
    Durch geschicktes Intrigenspiel hatte Roxellane Suleiman davon überzeugt, daß sein Sohn nicht nur vorhatte, ihn vom Thron zu stürzen, sondern sogar Beziehungen zu den

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