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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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durchschnitten oder die Bäuche aufschlitzten. Schließlich erreichte die Vorhut der Christen den Basar und begann dort zu wüten.
    Als Tannhäuser über die Ebene ritt wie ein Argonaut, dem freies Geleit durch das Reich der Dolionen gewährt wurde, hielt er nach dem Laffen Ausschau, dem er seinen Überrock verdankte. Doch niemand stellte Fragen zu dem Kreuz auf seiner Brust, und wieder einmal erreichte er die Grenze des Lagers, ohne angehalten zu werden. Die Straße nach Mdina lag offen vor ihm, und die Stute schien ihn ohne Worte zu verstehen. Sie selbst sehnte sich danach, diese Straße einzuschlagen, obwohl die Anstrengungen sie völlig erschöpft hatten. Tannhäuser beruhigte sie und warf noch einen letzten Blick auf die Stätte des Schreckens hinter sich. Wenn es je einen Anlaß gab, an einem gütigen Gott zu zweifeln, dann war es dieser Anblick. Trotzdem hoffte Tannhäuser aus ganzer Seele, daß es diesen Gott geben möge.
    Rauchwolken zogen über die Ebene. Auf den Berghöhen sah Tannhäuser das Mündungsfeuer türkischer Musketen, die so wenig ausrichteten, daß es beinahe wirkte, als würden sie lediglich einen Salut abschießen. Aus der schwer umkämpften Stadt jenseits der Hügel vernahm er die verzweifelt klingenden Signalhörner der Türken, die zum Rückzug bliesen.
    De Lugnys List war erfolgreich gewesen. Die Christen konnten St. Michael einen weiteren Tag halten.
    Auch die Ritter hörten den Hörnerschall. Die Reiterei formierte sich und zog sich über die versengte Erde zurück. Sie hatten es nicht geschafft, alles türkische Vieh zu schlachten, und trieben eine Herde verstörter Pferde vor sich her. Wie schon am Galgenpunkt hatte De Lugny keinen einzigen Mann und kein Pferd verloren.
    Es war noch nicht lange nach Mittag, und doch war Tannhäuser bereits völlig erschöpft. Dabei hatte er bis zum nächsten Morgengrauen noch einen weiten Weg zurückzulegen. Er wandte seine Stute um und machte sich auf den Weg nach Mdina.Das Essen, das Tannhäuser in Mdina zu sich nahm, war reichlich, wenn auch nicht sonderlich nahrhaft. Marschall Copier befragte ihn zu den türkischen Verlusten und der Moral der Truppe. Ein maltesischer Kundschafter wurde gerufen, der Tannhäuser begleiten sollte. Die neueste Botschaft von Vizekönig Garcia de Toledo aus Messina mußte überbracht werden. Nach Einbruch der Dunkelheit würden sie sich zu Fuß auf den Weg machen. Tannhäuser legte die Kleider ab, da sie so sehr nach Rauch stanken, daß sie ihn jedem Wachtposten verraten hätten. Dann zog er sich zum Schlaf auf einen Strohsack zurück, doch schon bald wurde er geweckt, da sie aufbrechen mußten.
    Als Tannhäuser und sein maltesischer Begleiter erst einen Teil des Weges nach Birgu zurückgelegt hatten, begann er zu taumeln und spürte, daß er einem Zusammenbruch nah war.
    Der maltesische Kundschafter hieß Gullu Cakie. Er war gut dreißig Jahre älter als Tannhäuser und sah aus, als hätte man ihn aus einem Felsen gemeißelt. Mit einer Mischung aus Abscheu und Ehrfurcht bemerkte Gullu, wie blaß und verschwitzt das Gesicht seines Begleiters war, wie unsicher sein Schritt. Da der Kundschafter nur Maltesisch sprach, erklärte Tannhäuser ihm nicht, daß er soeben ein beinahe tödliches Wundfieber überstanden hatte. Häufiges Trinken aus Gullus Feldflasche trug ihm nur ein weiteres verächtliches Grunzen des Maltesers ein. Auch seine gelben türkischen Reitstiefel, für die er auf die Schnelle keinen Ersatz in passender Größe hatte finden können, erregten Gullus Mißtrauen. Der Malteser wurde lediglich ein wenig versöhnlicher, als Tannhäuser ihn mit Gesten bat, sein Gewehr für ihn zu tragen, das ihm mit jedem Schritt schwerer erschien. Gullu hängte es sich über die rechte Schulter. Über die linke legte er sich die mit Kaffee und Opium vollgestopften Satteltaschen.
    Gullu führte die Meldungen für den Großmeister in einem Messingbehältnis mit sich. An seinem Gürtel hatte er einen Topf mit glühender Kohle hängen. Der Messingbehälter enthielt auch eine Ladung Schwarzpulver. Sobald eine Gefangennahme drohte, hätte Gullu die glühende Kohle in das Rohr gestopft und sich aufFolterungen gefaßt gemacht. Der Malteser schlug einen weiten Bogen nach Süden und dann westlich an der Ebene von Marsa entlang, durch tiefe Täler und an zerklüfteten Abgründen hin. Er führte Tannhäuser durch Gelände, das ihm unwegsamer erschien als alles, was ihm seit seinen Märschen durch den Iran begegnet war. Hätte er noch die

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