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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Der Laffe jedoch wandte die Augen ab. Tannhäuser lächelte De Lugny an. »Dann kann ich mich darauf verlassen, daß Ihr mir einen Eurer Malteser gebt.«
    »Allerdings«, antwortete De Lugny erleichtert. Er deutete auf die Berge, hinter denen noch immer die Kanonen dröhnten. »Wie steht die Schlacht? Wir haben einiges vom Tumult gehört und beschlossen, daß wir nun genug Rüstungen poliert und Wein geschlürft haben.«
    »Birgu wird nicht fallen«, erwiderte Tannhäuser. »Aber ich bezweifle, daß sich St. Michael noch länger als eine Stunde halten kann.«
    »Diese Festung haben sie schon früher erfolgreich verteidigt.«
    »Die Standarten der Janitscharen flattern schon auf den Mauern.«
    »Könnten wir sie von der Flanke angreifen?«
    Tannhäuser verkniff sich einen mitleidigen Blick. »Mustafa hat zwanzigtausend Mann auf den Anhöhen in Bereitschaft stehen.«
    De Lugny runzelte die Stirn. »Wie gut ist das Heerlager verteidigt?«
    »Das Heerlager?« Diese törichte Gegenfrage hätte Tannhäuser für gewöhnlich nicht gestellt. Sein Gefühl sagte ihm, daß der Tag – der seine schwache Gesundheit ohnehin schon viel zu sehr angestrengt hatte – nun eine Wendung zum Schlechteren nehmen würde.
    »Das türkische Heerlager«, wiederholte De Lugny. »Ihr Feldlazarett, wenn man es denn so nennen kann. Ihre Versorgungseinheiten und Hilfstruppen. Die Köche, die Viehtreiber, die Mohren. Und dieser Markt, den sie haben.«
    Als De Lugny diese Liste der zum Tode Verdammten genannt hatte, wurde Tannhäuser klar, daß sie hinreiten und sich selbst überzeugen würden, gleichgültig, was er sagte. Also sprach er die Wahrheit.
    »Selbst der Galgenpunkt war besser geschützt. Sie haben etwa zwanzig berittene Wachtposten und eine Kompanie Thraker, die Latrinen graben. Ansonsten sind im Lager, wie ihr aufgezählt habt, nur Köche, Viehtreiber, unbewaffnete Sklaven, Kranke und Verletzte. Keine Erdwälle, keine Palisaden. Alle Bataillone stehen an der Front auf den Anhöhen.«
    De Lugny schien ihm nicht der klügste Kopf zu sein, doch besaßen alle Franzosen, die er kannte, eine angeborene Listigkeit, die ihnen in bestimmen Situationen gute Dienste leistete. De Lugny lehnte sich im Sattel vor.
    »Ihr reitet uns ins Lager voraus«, sagte er. »Im Galopp. Täuscht eine Verwundung vor! Schlagt Alarm! Sagt ihnen, daß christliche Entsatztruppen aus Sizilien angekommen sind und sich von hinten nähern, daß man Mustafa so schnell wie möglich davon in Kenntnis setzen soll. Dann wird er keine andere Wahl haben, er muß den Angriff auf St. Michael abbrechen.«
    »Wenn er dem falschen Bericht Glauben schenkt.«
    »Oh, er wird ihn schon glauben«, sagte De Lugny.
    Der Franzose lächelte listig, und Tannhäuser begriff, was er vorhatte. Ihm wurde übel.
    »Und danach?« fragte er.
    »Danach geht uns einfach aus dem Weg.«
    Tannhäuser bezweifelte, daß das so leicht sein würde, wie es klang. Er erwiderte: »Mit Eurer Erlaubnis nehme ich einen von Euren roten Überröcken.«
    De Lugny lächelte, eine Anerkennung von einem Schurken zum anderen. Mit einer knappen Kopfbewegung bedeutete er dem Laffen, daß er seinen Waffenrock an Tannhäuser abgeben sollte. Übellaunig zog der junge Mann den ärmellosen Überrock über den Kopf und warf ihn Tannhäuser zu. Tannhäuser rollte ihn zusammen und stopfte ihn in eine Satteltasche.
    »Wenn Euch der Sinn nach Beute steht«, meinte er, »so sind die Zelte des Befehlshabers und des Generalstabs abseits von den anderen oberhalb in den Hügeln. Sie werden allerdings viel besser bewacht und liegen auch eine gute Meile näher an den Hilfstruppen, die Mustafa schicken könnte.«
    Das war ein wenig übertrieben, aber Tannhäuser wollte sie davon abhalten, Orlandu und den Äthiopier mit ihren Schwertern zu töten.
    »Wir kennen Mustafas farbenfrohe Siedlung«, sagte De Lugny. »Auch ihr Tag wird kommen, doch heute sind wir nicht auf Beute aus. Heute dürstet uns nach Blut.«
    Tannhäuser lenkte seine Schritte wieder zum Rand des türkischen Lagers zurück. Im Abstand von etwa einer Viertelmeile erblickte er die ersten beiden Wachtposten und schaute über die Schulter zurück. De Lugnys Reiterei war nirgends zu sehen. Er nahm all seine schwächer werdenden Körperkräfte zusammen und spornte die Stute zum Galopp an. Als er sich den Wachtposten näherte, sackte er über dem Hals seines Pferdes zusammen und hob verzweifelt einen Arm. Als er die beiden schließlich erreichte, fiel es ihm gar nicht schwer, eine

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