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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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für dich geworden. Du bist doch schon beinahe unter all dem Gold zusammengebrochen.« Er zeigte auf den Reifen an Tannhäusers linkem Arm. »Glitzernd wie ein Tabernakel, vom ersten Augenblick an, als du dich aufgerichtet hast. Kein Wunder, daß er dich beinahe erwischt hätte.«
    Tannhäuser würdigte ihn keiner Antwort. Ein paar Wachen verschlossen das kleine Tor wieder mit einer eisenbewehrten Tür, die sie noch mit einer komplizierten Anordnung von Riegeln und Bolzen sicherten, für die Tannhäuser sich sehr interessierte. Schließlich konnte er nicht wissen, wann er wieder aus Birgu fliehen mußte.
    Bors blieb stehen und reichte Tannhäuser seine Satteltaschen. »Gullie Cakie hat mir gesagt, daß ich dir die hier mit seinem Dank geben soll.«
    »Gullu spricht doch kein Italienisch.«
    »Der Mann spricht Spanisch so gut wie König Philipp persönlich und Italienisch besser als du. In seinem Gewerbe muß er viele Sprachen kennen. Du solltest dich geehrt fühlen, daß du einen solchen Begleiter hattest.«
    Die Satteltaschen fühlten sich ungewöhnlich leicht an. Tannhäuser öffnete sie. Es war nur ein einziges in Wachspapier geschlageneskleines Paket darin, das ein jämmerliches Viertelpfund Opium enthielt. Sein Paket mit Kaffee war ganz verschwunden.
    »Der alte Schweinehund hat mich ausgeraubt.«
    Bors schlug ihm auf die Schulter, und ein Grinsen verzerrte sein vernarbtes Gesicht. »Heiliges Kreuz, tut das gut, dich endlich wieder bei uns zu haben!« rief er. »In letzter Zeit hatten wir wahrhaftig nicht viel zu lachen.«
    »In seinem Gewerbe?« fragte Tannhäuser nach. »In welchem Gewerbe?«
    »In seinen besten Tagen war Gullie Cakie der gefürchtetste Dieb und Schmuggler auf dieser Insel. Ist kein einziges Mal geschnappt worden. Sieht aus, als wäre er durch dich wieder ins Geschäft gekommen.«
    Der Gang von der Ausfallpforte in die Stadt krümmte sich in einem stumpfen Winkel. Darüber klaffte in der Decke ein Mordloch. An dieser Stelle würde man allen Eindringlingen auflauern und sie dann von oben mit Brandsätzen und Musketenfeuer angreifen. Am anderen Ende des Korridors befand sich ein Fallgatter. Falls auch dieses Tor überwunden werden sollte, wartete dahinter noch eine Gelegenheit zum Angriff, ein Blockhaus ohne Dach, das verschiedene Schießscharten aufwies. Tannhäuser schritt durch das Haus, und Bors packte ihn beim Arm.
    »Komm und sieh dir dies an«, sagte Bors.
    Tannhäuser folgte ihm die Mauertreppe hinauf. Sie erreichten die Mauerkrone und drehten sich um. Tannhäuser blieb wie angewurzelt stehen und blinzelte bei dem Anblick, der sich ihm bot.
    Vor nicht ganz zwei Monaten war er aus der Stadt fortgegangen. Damals war noch kaum ein Schuß auf Birgu abgegeben worden. Nun war es eine wüste, öde Geisterlandschaft, die von Schuttbergen gesäumt war. Löcher und Risse durchzogen das Mauerwerk von San Lorenzo, vom Heiligen Hospital, vom Arsenal und vom Gerichtshof. Ganze Straßenzüge waren bis auf die Grundmauern abgetragen. Zahllose Häuser ragten ohne Dach in den Himmel hinauf. Das Kastell St. Angelo lag da wie der Herrschaftssitz eines untergegangenen Königreiches. Außer dem Flackern der Wachtfeuerrührte sich in der ganzen Ödnis nichts, als hätte man den Ort bereits zu Anbeginn aller Zeiten geplündert und verlassen, als seine Einwohner noch Wilde waren und sich in Tierfelle kleideten.
    »Die Frauen«, erkundigte sich Tannhäuser. »Carla, Amparo, leben sie noch?«
    »Sie sind unversehrt«, erwiderte Bors. »Zumindest körperlich.«
    »Und sonst?«
    »In dieser umnachteten Festung sind nur noch wenige übrig, die nicht bis ins Mark hinein betrübt sind. Selbst ich fühle mich zuweilen matt, dabei würde ich dieses Schlachtfeld nicht für alle Paläste der Welt eintauschen.«
    Tannhäusers Augen schweiften zur Herberge von England an der Majestral-Straße. Sie schien als eines der wenigen Gebäude nicht zerstört worden zu sein. Bors folgte seinem Blick. Als Tannhäuser sich anschickte, die Treppe hinunterzugehen, sagte er: »Die Frauen leben nicht mehr in der Herberge.«
    Tannhäuser schaute ihn an.
    »Vor kaum einer Woche ist Carla mit all ihren Habseligkeiten ausgezogen, geflohen, als hätte sie im Haus ein Gespenst gesehen. Sie sagt, sie hat ein Bett im Hospital, wo sie schlafen kann, wann immer sie will, und wo sie immer für die Kranken da sein kann.«
    »Und Amparo?«
    »Amparo lebt in den Stallungen und schläft auf dem Stroh bei Buraq. Mach dir keine Sorgen! Ich habe immer ein

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