Das Sakrament
versammelt, Soldaten, Bauern, Frauen, schmutzige Straßenjungen, zerlumpte Mädchen, die einander bei der Hand hielten und vor sich hin starrten. Manche hatte Kerzen und Lampen mitgebracht, manchen liefen schimmernde Tränen über die Wangen. Andere wirkten benommen und verwirrt, als sei die Kluft zwischen der Schönheit der Musik und den Schrecken ringsum zu groß, als daß man sie überbrücken könnte.
Die Musikantinnen hatten nur Augen und Ohren für das Göttliche. Das Reich, das sie erkundeten, war unendlich weit von dieser Welt entfernt. Vielleicht war diese Erkundung das edelste aller Unterfangen, denn das hiesige Reich war so dunkel, so von Schmerzen und Tod beherrscht, daß man die Sterne vom Himmel herabholte, wenn man nur einen einzigen Augenblick lang ein wenig Licht auf eine Welt fallen ließ, in der Harmonie herrschte.
Leise kam Bors herbei und setzte sich gleichfalls. Er hielt Tannhäuser eine Lederflasche hin. Der Branntwein war eindeutig in einem alten Helm gepanscht worden, und doch breitete sich eine wohlige Wärme in Tannhäuser aus, als er einen kräftigen Schluck nahm. Bors neigte den Kopf zu Carla und Amparo. Stolz spiegelte sich auf seinen Zügen, als hätte er selbst sie unterrichtet. Schließlich hörten die beiden auf zu spielen und saßen in einem Kreis der Stille da, einer Stille, die beinahe so köstlich war wie zuvor die Musik, die längst auf dem Nachtwind davongeweht war.
Ein Mädchen in der Menge klatschte verzückt in die Hände, doch jemand gebot ihr Einhalt, als sei man in einer Kirche und habe ehrfürchtig zu schweigen. Einer nach dem anderen verschwanden die Zuhörer wie Gespenster, die bei Anbruch des Tages wieder in ihre Gräber zurückgerufen wurden. Schließlich war die Bucht menschenleer, nur noch Tannhäuser und Bors hockten da. Die Menschen hatten ihre Lampen mitgenommen, und allmählich verschwand der letzte helle Schein in den dunklen Straßen. Im letzten Schimmer erspähte Tannhäuser ein Gesicht mit adlergleichen Zügen. Er packte Bors beim Arm, doch da war das Gesicht schon fort.
»Anacleto?« fragte Tannhäuser.
»Ja, er ist hier auch irgendwo«, antwortete Bors. »Lungert herum wie eine Spinne, die man auch erst sieht, wenn sich eine Fliege in ihrem Netz verfangen hat. Auch er ist dem Orden beigetreten, als Magistralritter. Soll ich ihn aufspüren?«
»Bis die Zeit gekommen ist, ihn oder Ludovico oder beide zu töten, ist das nicht sehr sinnvoll.«
Tannhäuser wandte sich um und beobachtete, wie Amparo und Carla ihre Instrumente einpackten. Wie wunderbar es war, die beiden wiederzusehen. Ihre Gesichtszüge zeigten ein paar neue Falten, die man niemals wieder würde auslöschen können, aber sie wirkten doch heil und gesund. Mehr noch, beide waren in seinen Augen so schön, daß sein Herz bei der Aussicht auf die Begegnung beinahe stehenblieb. Tannhäuser liebte sie beide, zweifellos und ohne jede Einschränkung, und ausnahmsweise bereitete ihm diese verzwickte Situation weder Widerwillen noch Sorgen. Diesen Knoten wollte er ein andermal entwirren. Als sie mit ihren Kästen den Felshang hinaufkamen, erhob sich Tannhäuser.
Beide Frauen blieben einen Augenblick stehen, als sähen sie sich einem Geist gegenüber. Zugegeben, er war nicht sonderlich ansehnlich. Die Hose hing ihm in Fetzen um die Knie. Seine nackten Arme waren schmutzig und voller Schweiß, und sein Brigantinewams war von der Art, die ein Bravo der niedersten Ränge trug. Zumindest hatte er sich am Tag zuvor den Bart einölen lassen und trug eine angemessene Menge Gold am Körper. Während er sich noch mit diesen eitlen Sorgen quälte, ließen die Frauen ihre Instrumente fallen und kamen auf ihn zugestürmt, mit ausgestreckten Armen und Freudentränen in den Augen.
Tannhäuser umarmte sie beide gleichzeitig, mit jedem Arm eine, wie er das an jenem längst vergangenen Tag gemacht hatte, als er sich ihren Segen für die Schlacht erbat. Er drückte ihre Köpfe an seine Brust, als wären sie seine Kinder. Wenn sie nicht so sehr geweint hätten, wären ihm wahrscheinlich auch die Tränen gekommen. Als Carla dann den Kopf hob, um ihm ins Gesicht zu schauen, lächelte Tannhäuser.
»Ihr habt mich gerufen«, sagte er. »Da mußte ich doch einfach kommen.«
Nun stahl sich ein Lächeln auf die Gesichter der beiden, und er blickte von einem Augenpaar zum anderen – von Amparos unregelmäßigen Zügen, die wieder einmal ihren Zauber webten, zu Carlas seelenvoller Schönheit, die ihm wie ein Messer ins
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