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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Garten sah, und drang von hinten in sie ein. Ihre Glut war längst nicht erschöpft. In der Ferne begannen die Glocken von San Lorenzo zu läuten, mit einer wilden Wut, deren Bedeutung ihm im Augenblick nicht bewußt wurde. Kurz darauf, so schien es ihm, schaute er auf und gewahrte Bors, der aus dem Hintereingang der Herberge gestürzt kam.
    »Die Bastion von Kastilien ist gefallen!« schrie Bors. Er reckte den Kopf, als würde er in die Wanne schauen wollen. »Die Türken sind in der Stadt!«
    »Und was soll ich dagegen tun?« brüllte Tannhäuser zurück.
    Bors machte eine vage Handbewegung. »Ich dachte, du würdest es wissen wollen.«
    »Danke sehr, aber wie du siehst, bin ich beschäftigt.«
    Bors wandte sich um und ging, ohne noch einen Blick in die Wanne zu werfen. Unter Amparos lautstarkem Protest zog Tannhäuser sich zurück und hob sie mit beiden Armen über den Wannenrand. Da stand sie, nackt und wunderschön und vollkommen unbeeindruckt vom Chaos um sie herum. Tannhäuser kletterte ebenfalls aus dem Wasser. Er hob ihr verschlissenes grünes Kleid auf und reichte es ihr. Sie drückte es mit wenig Begeisterung an sich. Tannhäuser packte sich hastig, ohne auf die guten Sitten zu achten, seinen Dolch, Hose und Stiefel auf den einen Arm, umfing Amparo mit dem anderen und geleitete sie ins Innere der Herberge.
    »Vielleicht ist es wirklich besser«, meinte er, »wenn wir in Reichweite einiger anständiger Waffen weitermachen.«
    Als schließlich Tannhäuser eine halbe Stunde später an die Verteidigungslinie kam, war er weder in einem angemessenen Zustand noch in der richtigen Stimmung, um irgend etwas anderes zu tun, als in Amparos Armen zu schlummern. Die Straßen waren voller verzweifelter Flüchtlinge und Verwundeter. Jenes ungewisse Gefühl der Massenpanik, das jeder Befehlshaber mehr fürchtet als alles andere Mißgeschick, knisterte in der Luft wie ein Vorbote drohenden Unwetters. Der riesigen Mine, welche die Mamelucken in das massive Felsgestein gegraben und mit Tonnen von Pulver vollgestopft hatten, war die Bastion von Kastilien am östlichen Ende der Umwallung zum Opfer gefallen.
    Nun lag die Bastion da wie ein gigantischer Schutthaufen. Auf den obersten Steinen flatterten einige farbenfrohe Seidenbanner, auf denen die Sure der Eroberung prangte. Hier lag auch ein Trupp von Scharfschützen der Janitscharen in Stellung. Zudem hatte die Explosion der Mine ein großes Stück der Umfriedungsmauer zu beiden Seiten eingerissen. Schlimmer noch, auch die zweite, innere Mauer wies eine breite Bresche auf, und türkische Sturmtruppen, fluteten nun wie Lava um einen Felsen über die zerstörte Bastion hinweg auf die innere Wallmauer zu. Manch ein tapferer christlicher Ritter lag gewiß unter den Trümmern des Bollwerks begraben, und mitten auf den noch rauchenden Schutthalden brachte einHäuflein bedrängter Ordensbrüder die türkische Vorhut zum Stehen. Ihre Rüstungen trieften blutrot im Morgenlicht.
    Auf der anderen Seite der Mauerbresche befand sich ein Stück offenes Terrain, auf dem La Valettes Ingenieure in einem zwei Häuserblöcke umfassenden Abschnitt alle Gebäude eingerissen hatten, um ein freies Schußfeld zu haben. Man hatte dort ein paar Kanonen hinaufgeschleppt, und während die Maultiere noch abgeschirrt wurden, luden die Mannschaften bereits Kartätschen in die Läufe. Von den Barrikaden und Brustwehren, welche die quer verlaufenden Straßen abriegelten, lieferten sich Hakenbüchsenschützen einen Schußwechsel mit den Musketieren auf der Kuppe des Schutthaufens, wenn auch mit geringem Erfolg. Die Luft hallte wider von arabischen Anrufungen des Propheten. Pulverdampf hing wie Nebel in der Luft. Die Glocken von San Lorenzo läuteten, als könnten sie damit irgend etwas ausrichten. Auf vorgeschobenem Posten beobachtete La Valette, ohne Rüstung und barhäuptig, zusammen mit Oliver Starkey und einer Gruppe provenzalischer Ritter den sich entfaltenden Kampf. Spanische Pikenträger hielten auf die vorderste Verteidigungslinie zu.
    »Mattias!«
    Tannhäuser sah Bors, der hinter der Mauer die Zündpfanne seines Damaszener Luntenschloßgewehrs mit Pulver belud. »Wieder zu kriegerischen Ehren bereit, jetzt, da du deinen Appetit gestillt hast?«
    »Ich habe das Frühstück verpaßt«, erwiderte Tannhäuser. »Hast du daran gedacht, mir etwas mitzubringen?«
    »Nein, aber dein Anteil ist nicht verschwendet worden. Wo ist das Mädchen?«
    »Ich habe ihr gesagt, sie soll zu Carla gehen und sich immer

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