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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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ihrem Blut lagen. Er kämpfte sich mühsam in die vorderste Frontlinie vor. Eine Gestalt in einem grünen Gewand schien auf ihn zu lauern. Er traf sie unterhalb des Knies und hieb sie von denBeinen. Angriffe am Hang waren verdammt schwierig, aber so verdienten sich die Janitscharen ihr tägliches Brot. Einfach den Schweiß ignorieren und weiteratmen. Sein Arm bewegte sich beinahe wie von selbst, zielte und hieb mit Schlägen, die Tannhäuser so schnell nicht einmal denken konnte. Es bereitete ihm tiefste Befriedigung. So, in einem echten Kampf Mann gegen Mann, schrieb man seinen Namen ins Buch des Lebens ein.
    Über eine Stunde tobte die Schlacht unter der sengenden Augustsonne. Die Luft bebte vor Schreien und dem Dröhnen der Pater Noster . Tannhäusers Rüstung war mit Blut besudelt, ihr Gewicht erschöpfte ihn immer mehr. Die Türken aber schienen allmählich zurückzuweichen. Das Blatt hatte sich gewendet. Dann hörte er einen gellenden Ruf.
    »Der Großmeister ist gefallen!«
    Dieses Gerücht verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Soldaten und Ritter rannten kreuz und quer über das Schlachtfeld, um ihren obersten Feldherren zu retten, aber niemand wußte genau, wo er sich befand. Leicht hätten die Türken diesen Vorteil für sich nutzen können. Bors hatte alle Hände voll damit zu tun, einen Janitscharen niederzuringen, der nur halb so groß war wie er. Tannhäuser hieb dem Türken von hinten die Klinge seines Dolches in die Rippen. Dann bedeutete er Bors, mit ihm zu kommen.
    Sie trafen auf eine dichte Kampffront, wie Tannhäuser sie selten erlebt hatte: Eine Horde von Galliern versuchte mit wilder Entschlossenheit ihren Kriegsherren zu schützen. Die Janitscharen, die spürten, daß ihr Sieg nahe war, schlugen mit kaum weniger Mut und wütendem Eifer zurück. Tannhäuser und Bors umgingen dieses Gefecht und kämpften sich zu dem Ring aus Rittern vor, der La Valette umgab.
    Tannhäuser erblickte einen Streit, wie ihn nur Franzosen selbst mitten auf einem Schlachtfeld zustande bringen. Die Erwiderungen flogen zu rasch hin und her, als daß Tannhäuser ihnen in allen Einzelheiten folgen konnte, doch er begriff, daß die Gefolgschaft wollte, daß sich La Valette auf sicheren Boden zurückzog, während der alte Mann, der außerordentlich lebendig schien, wennihn auch Oliver Starkey stützen mußte, davon nichts hören wollte. Der Rock seiner Soutane war am Oberschenkel zerrissen, und er sah zwar ein wenig blaß aus, aber vor Wut, nicht weil er zuviel Blut verloren hatte. Starkey war zu sehr Engländer, als daß er in einer so extremen Situation die Seite seines Herren hätte unterstützen können. Wo türkische Tapferkeit erfolglos geblieben war, schien nun gallischer Trotz zu triumphieren.
    »Die Soldaten glauben, daß ihr Großmeister tot ist. Bringt ihn sofort auf den Hügel, damit sie ihn sehen und neuen Mut schöpfen können!« schrie Tannhäuser, während er sich bei einem herannahenden Türken mit einem kräftigen Hieb Respekt verschaffte und hoffte, daß die Streithähne ihn hörten.
    Bors fügte noch hinzu: »Wenn ihr Gallier überhaupt genug Mumm in den Knochen habt, dort hinaufzukommen.«
    Ehe die Provenzalen Bors in Stücke hacken konnten, drängte La Valette sich vor und humpelte den Hang hinauf. Oliver Starkey war als erster an seiner Seite, auch er von Wunden stark behindert. Stolz und kriegerischer Geist gewannen die Oberhand über beleidigtes Schmollen, und die französischen Ritter brüllten wie Wahnsinnige und stürzten auf die Banner der Ungläubigen zu. Die Gallier waren in ihrer Wut so zügellos, daß Tannhäuser seine Meinung über sie sofort änderte. Bors wollte ihnen folgen. Tannhäuser hielt ihn jedoch zurück. Sie hatten genug gekämpft.
    Sie trotteten zurück, zu erhitzt und müde, um den Verwundeten auch nur einen Blick zu gönnen. Sie überquerten das offene Gelände und holten ihre Gewehre. Als sie sich umschauten, hatte der Angriff La Valettes ihn und seine Männer wieder auf die höchste Anhöhe der zerstörten Bastion gebracht. Dort riß man die türkischen Banner herunter.
    So hatte sich die zweite christliche Niederlage des Tages abwenden lassen, und Gott der Allmächtige wurde gepriesen, daß Er sie wieder einmal von allem Bösen erlöst hatte.

S ONNTAG , 19. A UGUST 1565
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