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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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nicht«, erwiderte Starkey. »Sie begießen sie immer wieder mit Meerwasser. Wenn sie nur geduldig genug sind, haben sie uns bis auf die Knochen geschwächt, ehe sie mit ihrer nächsten Angriffswelle beginnen.«
    »Ihr habt mir gesagt, daß sie zwei Belagerungsmaschinen gebaut haben«, meinte La Valette.
    »Ja, ich glaube schon«, meinte Tannhäuser. »Und wenn ich Mustafa wäre, dann würde ich auch noch eine dritte bauen lassen.« Er strich sich über den Bart. »Ich konnte den Fuß des Turmes nicht sehen.«
    »Er rollt auf sechs Rädern ohne Speichen«, erklärte Starkey.»Die unterste Plattform ist zweimal so groß wie die oberste. Die vier Hauptpfosten bestehen aus Masten von Galeeren. Sparren, Takelage, Querverstrebungen, Steine als Ballast. Die untere Galerie ist offen und nicht bewehrt, damit sie einen Angriff vom Boden mit massivem Feuer beantworten können.«
    Tannhäuser hatte noch nie eine solche Konstruktion gesehen. Er kramte in seinen Erinnerungen nach Berichten, ging die vielen Schlachten durch, über die er in all den Jahren kunstvoll ausgeschmückte Geschichten gehört hatte, doch er konnte sich nicht erinnern, jemals von solchen Belagerungstürmen gehört zu haben, geschweige denn von einem Hinweis, wie man sie bekämpfen konnte. Dann kam ihm ein anderer Gedanke. Er lehnte sich über die Kante der Treppe, um einen Blick auf den Fuß der inneren Mauer vierzig Fuß tiefer zu werfen. Sie bestand aus Kalksteinbrocken verschiedener Größen, die man zu einer Mauer aufgeschichtet hatte.
    »Wie dick ist die Mauer am Fuß?« fragte er.
    »Ganz unten an der Böschung?« erwiderte Starkey. »Etwa zwölf Fuß.«
    Tannhäuser wollte seinen Gedanken sofort wieder verwerfen, doch La Valette blickte ihn lauernd an.
    »Als Suleiman im Jahre 1532 in Ungarn einfiel«, erklärte Tannhäuser, »tobte der härteste Kampf um eine kleine Stadt von so geringer Bedeutung, daß ich mich nicht einmal mehr an ihren Namen erinnern kann. Achthundert Verteidiger haben über eine Woche lang dreißigtausend Tataren und Rumelier im Schach gehalten. Irgendwann einmal, habe ich gehört, haben die Magyaren ein Loch durch ihre eigene Befestigungsmauer geschlagen, damit sie ihre Kanonen direkt aus nächster Nähe auf den angreifenden Feind richten konnten.«
    Bors und Starkey spähten gleichzeitig auf die riesigen Steinquader unter ihnen.
    »Es war wahrscheinlich eine recht schmale Mauer«, meinte Tannhäuser, »und ich bin kein Ingenieur. Wenn es jedoch möglich wäre, einen Tunnel durch zwölf Fuß Mauerwerk zu bohren undeine Kanone durchzuschieben, dann könnte man diesem Ungetüm die Beine unterm Leib abschießen und zusehen, wie es umfällt.«
    »Ja«, schnaubte Bors, »aber vorher stürzt die ganze Mauer ein und die Bastion gleich mit.«
    Starkey schien auch seine eigenen Einwände vorbringen zu wollen, als La Valette bereits die Treppe hinunterhumpelte und dabei jene Zielstrebigkeit an den Tag legte, die ihn in seinen besten Stunden auszeichnete. Er hielt inne und wandte sich wieder Tannhäuser zu.
    »Hauptmann, nun zu Pater Guillaume«, sagte er.
    »Ich glaube, ich kenne den Pater leider nicht, Euer Exzellenz.«
    »Um diese Gelegenheit habt Ihr Euch gestern selbst gebracht, als Ihr ihn niedergeschossen habt. Er war der Kaplan am Posten von Kastilien.«
    Tannhäuser erinnerte sich an den von Panik geschüttelten Priester. Es schien ihm, als sei das Wochen her, aber es waren offensichtlich kaum vierundzwanzig Stunden vergangen.
    »Ich bin sicher, Ihr habt deswegen ein schlechtes Gewissen«, meinte der Großmeister.
    »Ja, Eure Exzellenz, ein sehr schlechtes Gewissen.«
    Beide wußten sie, daß das eine schamlose Lüge war.
    »Dann beruhigt Euch«, sagte La Valette. »Pater Guillaume hatte den Verstand verloren, Gott sei seiner Seele gnädig. Der Schuß war äußerst wohlbedacht.«
    »Danke, Sire.«
    »Aber seid nicht gar zu übereifrig. Wir brauchen jeden Mann, auch unsere Priester.«
    Tannhäuser musterte die Augen des Großmeisters. War dies eine versteckte Anspielung auf seinen Anschlag auf Ludovico? Er vermochte es nicht zu sagen.
    La Valette wandte sich wieder Starkey zu. »Laßt den Maurermeister und seine Leute kommen.«
    Tannhäuser hockte sich auf die oberste Treppenstufe und beobachtete, was sich unter ihm abspielte. Maltesische Maurer mitgroßen Lederschürzen, bewaffnet mit Meißeln, Stemmeisen und schweren Hämmern, versammelten sich am Fuß der Mauer um La Valette. Es entspann sich ein kurzer Disput darüber, wie man

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