Das Sakrament
rissen Witze und beglückwünschten einander, während sie ihr Geschütz putzten. Tannhäuser sah, wie La Valette ging. Der Großmeister sagte kein Wort zu ihm, und Tannhäuser war froh darüber.
Wie noch nie sehnte er sich nach Amparo und Carla. Keine von ihnen war auch nur zu einem einzigen grausamen Gedanken fähig. Er kämpfte nur, um sie zu beschützen. Der Belagerung konnte man nur durch blindwütigen Glauben standhalten. Nur der Glaube konnte solche Schrecken durchstehen. Die Liebe, die ihn gefesselt hatte, war der einzige Glaube, den er kannte.
Bors holte ihn ein und sah seine Miene.
»Warum so finster? Wieder ist dir der Ritterorden zu Dank verpflichtet.«
»Sie sollen ihren Glauben für sich behalten«, knurrte Tannhäuser. »Ich halte mich an meinen.«
In der Nacht verstummten endlich die Kanonen. Eine tiefe Erschöpfung schien sich über das ganze Land auszubreiten. Eine finstere Vorahnung schlich sich in Tannhäusers Gedanken und ließ ihn keinen Schlaf finden. Er stand auf und ging zum Kalkara Tor, vernahm den müden Gang der türkischen Wachtposten in der Dunkelheit vor sich.
In solchen Stimmungen handelte man leicht voreilig, da würfelte man und verlor aus bloßer Trübsal, nicht weil es einem an Klugheit mangelte. Mit seiner Flucht würde er besser warten, bis die Türken Trübsal bliesen, nicht er. Ihre Moral war erschüttert, wie er an den verzweifelten Stimmen der Imame gehört hatte. Aber wie viele Rückschläge würde es noch brauchen, ehe ihr Mut wirklich gebrochen war? Konnte der Ritterorden diese Rückschlägeüberhaupt bewirken? Tannhäuser wußte, daß noch niemand den Mut der Türken je gebrochen hatte.
Die Sterne zogen über ihm ihre Kreise. Er wünschte sich, er könnte die Melodie der Sphären hören, die sie auf ihren Bahnen hielten.
Er weckte Amparo, die sich auf sein Bitten hin anzog. Er nahm die Instrumentenkoffer, und Amparo weckte Carla im Hospital. Gemeinsam gingen sie zur Werftbucht. Dort am Ufer spielten die beiden Frauen für ihn. Der sichelförmige Mond stand noch nicht hoch am Himmel, und das Sternbild des Skorpions leuchtete über den südlichen Horizont. Tannhäuser weinte im Dunkeln beim Klang der Musik. Das Herz ging ihm über. Solche Augenblicke waren Splitter der Ewigkeit, Perlen auf dem Grund eines unerforschten Meeres. Nun konnte er wirklich an ein immerwährendes Leben denken, und in diesem Leben war er wahrhaftig ein vom Glück begünstigter Mann. Schließlich umgab ihn ringsum atemberaubende Schönheit.
M ONTAG , 20. A UGUST 1565
Auf den Anhöhen des Corradino
Orlandu nahm sein Fladenbrot und seine Kichererbsen und rannte auf die Hügelkuppe, um die Schlacht zu beobachten. Er war nicht der einzige, der sich das angewöhnt hatte. Rings um ihn stand eine ganze Gruppe anderer Pferdepfleger. Sanjak Cheder, einer der berühmtesten Generäle Suleimans, hatte achttausend Janitscharen in einem vollen Angriff auf die Festung St. Michael geführt. Als Orlandu ankam, um zuzuschauen, waren alle Festungswälle bereits wieder mit den Fahnen der Türken übersät. Es gab viel Feuer und Rauch zu sehen, und inmitten all des Dunstes blitzte ab und zu die Sonne auf einer christlichen Rüstung auf. Der Heldenmut der Ritter und seiner eigenen maltesischen Brüder trieb Orlandudie Tränen in die Augen. Gleichzeitig bewegte ihn auch die Entschlossenheit der Janitscharen. Tannhäuser war Janitschare gewesen, nun aber befand er sich irgendwo in den christlichen Verteidigungsanlagen.
Jeder Reiter der Spahis hatte mindestens zwei Ersatzpferde. In der besten Tradition Dschingis Khans besaß Abbas fünf. Diesen fünf Tieren durfte Orlandu sich nicht einmal nähern, da es die besten Streitrösser des ganzen Heeres waren. Er kümmerte sich um die Pferde der niedrigeren Ränge und genoß diese Arbeit. Verglichen mit dem Reinigen von Galeeren war es ein Kinderspiel. Kürzlich hatte er gelernt, wie man die Hufe eines Pferdes säubert und feilt. Die Reiterei hatte bisher nicht in die Kämpfe eingegriffen. Orlandu war froh darüber, er wußte durchaus, wofür man Ersatzpferde brauchte. Die Tiere würden genauso furchtbar leiden wie die Menschen. Er wünschte, Tannhäuser wäre bei ihm. Jedesmal wenn er seine Notdurft verrichtete, nahm er den großen goldenen Ring heraus, säuberte ihn und steckte ihn sich an den Daumen.
Die Türken, soviel hatte er inzwischen herausgefunden, waren feine Männer, beinahe so tapfer wie die Ritter. Abbas wirkt sogar majestätisch. Die anatolischen
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