Das Sakrament
wahrscheinlich hat ihm das Euer Hauptmann angetan.«
Amparo wand sich, und er ließ sie los.
»Anacleto braucht Opium, um seine Wunden zu heilen und seine Schmerzen zu lindern.« Für eine Unsumme hatte Ludovico einen Fingerhut voll von dem maltesischen Schurken Gullu Cakie erworben. Es war eine Zeit angebrochen, in der Gold kaum noch einen Wert besaß, denn niemand erwartete, es je wieder ausgeben zu können. Unter Androhung roher Gewalt hatte Cakie ihm verraten, wo Ludovico mehr bekommen könnte. »Tannhäuser besitzt diese Arznei, die inzwischen rar geworden ist«, sagte Ludovico. »Ihr bringt mir heute nacht etwas davon in die Herberge von Italien.«
»Ich soll für Euch stehlen?« fragte Amparo.
»Wie Ihr es bekommt, ist Eure Sache. Ich werde in Eurer Schuld stehen, und das ist etwas, das Ihr hoch schätzen solltet. Seht zu, daß Ihr es rechtzeitig bringt.«
»Und wenn ich mich weigere?«
Ludovico nahm sie freundlich beim Arm und ging mit ihr ein paar Schritte von Anacleto fort. Er neigte sich zu ihrem rechten Ohr vor und flüsterte: »Tannhäuser hat vor, Eure Herrin zu heiraten.«
Amparo blinzelte und schien darüber nicht verstört zu sein. »Das ist ihre Abmachung«, sagte sie. »Schon von Anfang an.«
»Diese Heirat ist eine Bezahlung?«
Amparo nickte mit gesenktem Blick.
Dann hatte Carla ihn betrogen. Neue Hoffnung regte sich in seiner Brust.
»Trotzdem«, erwiderte Ludovico. »Inzwischen hat sich Tannhäuser in Carla verliebt.«
»Er liebt sie«, berichtigte sie ihn. »Genau wie ich sie liebe.«
»Er ist ein Mann. Das wißt Ihr selbst am besten.« Ludovico sah, daß die Saat des Zweifels endlich auf fruchtbaren Boden fiel. »Er hat mir selbst gesagt, daß er sie liebt. Und man hat sie buhlend gesehen. Er hat Euch betrogen.«
Diese Worte schnitten Amparo geradewegs ins Herz. Sie schlug beide Hände vor den Mund und schüttelte den Kopf.
»Fragt den armen Anacleto – und sagt ihm dann, daß er lügt.«
Sie versuchte sich loszureißen, doch er hielt sie fest. »Seht doch selbst, dann begreift Ihr es.« Er ließ sie los. »Jetzt tut, was ich Euch gesagt habe! Betrachtet meinen Auftrag als eine Tat der Nächstenliebe, und dann wird Gott Euch leiten, wie Er das in allen Dingen tut.«
Tannhäuser saß in seiner Wanne und sah zu, wie die Sonne hinter dem Monte Sciberras unterging. Die Scheibe erglühte in einem dunklen, gewalttätigen Rot, von Rauchschwaden umwirbelt, die aus dem mit Leichen übersäten Niemandsland aufstiegen.
Sein Körper war eine einzige Ansammlung von Wunden und Schwellungen. Hier und da ragten Stiche aus Schafsdarm hervor, manche von ihm selbst genäht. Mit beinahe letzter Kraft war er in das Meerwasser gestiegen. Die Augen schmerzten ihm von Pulverruß und Staub. Seine Hände fühlten sich aufgedunsen an. Wenn ihn eine Steinkugel aus einer türkischen Kanone am Kopf getroffen hätte, hätte er sich nicht sehr darüber gegrämt, doch die Belagerungsgeschütze schwiegen. Ihre Mannschaften waren bestimmt genauso erschöpft wie er.
Am Morgen hatte Mustafa eine Reihe von Scharmützeln angezettelt, um das Vorrücken seines zweiten Belagerungsturms nach Abbas’ Plänen zu decken. Diesmal hatten die Türken die untere Hälfte des Turms mit Schanzkörben voller Erde und Geröll gegenKanonenbeschuß gesichert. Sie hatten den Turm an die Überreste der Bastion von Kastilien herangerollt, und die Scharfschützen der Janitscharen, die auf dem obersten Deck standen, hatten die Garnison und die Arbeiter an der Bastion schnell in den Ruinen Deckung suchen lassen. Nachdem sie einige Stunden in diesem jammervollen Zustand verharrt hatten und zusehen mußten, wie sich die Truppen auf den Anhöhen sammelten und auf einen Großangriff vorbereiteten, hatte La Valette die Taktik des Vortags leicht abgewandelt.
Ein wenig östlich von der Bresche hatte man einen Tunnel durch die unbeschädigte Mauer gegraben, an einer Stelle, die von den Scharfschützen auf dem Turm nicht eingesehen werden konnte. Ein Überfallkommando unter dem Befehl des Ritterkomturs Claramont und von Don Guevarez de Pereira war ausgeschwärmt. Ein Dutzend Ritter der deutschen Zunge hatte sich als Freiwillige gemeldet, und vor Wut schäumend, hatte sich die Ausfalltruppe auf den Turm gestürzt. Eine zu spät abgegebene türkische Musketensalve ließ nur Funken von ihren Rüstungen stieben, als sie auf den Turm zustürmten.
Die Azeb -Fußsoldaten, welche die hinteren Leitern bewachten, wurden innerhalb weniger Momente von
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