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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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beiseite gewischt durch die Angst vor dem, was sie nun in Tannhäusers Augen las. Er bemühte sich um einen Gleichmut, den er nicht verspürte. Er wischte ihr die Tränen von den Wangen.
    »Du bist meine Liebste«, sagte er.
    »Ja?« Sofort hellte sich ihre Miene wieder auf.
    »Du wirst immer meine Liebste sein. Jetzt erzähle mir, was Ludovico getan hat.«
    Ludovico saß in der Schreibstube von Del Monte in der Herberge von Italien, die ihm der Admiral zur Verfügung gestellt hatte. An den Wänden hingen Bildnisse von vergangenen Helden der italienischen Zunge und Banner der Ottomanen, die in Seeschlachten erobert worden waren. Den Ehrenplatz nahm die Standarte von Sanjak Cheder mit der roten Hand ein, die sie an diesem Tag erbeutet hatten. Der Stuhl des Admirals war ein guter Platz. Von hier aus konnte Ludovico vortrefflich seine Besprechung mit den Vertretern der französischen Zunge abhalten.
    Noch immer hatte er die Aufgabe zu erfüllen, die ihm Ghislieri aufgetragen hatte. Der Aufstieg Del Montes in der Nachfolge des Großmeisters war keineswegs gesichert, und doch hatte sich von allen Prüfungen, die Ludovico zu bestehen hatte, ausgerechnet diese als einfacher herausgestellt, als er in seinen kühnsten Hoffnungen erwartet hatte. Er hatte die Argumente für die Kandidatur Del Montes bei den Vorstehern aller anderen Zungen eingeübt. Die Kastilier, die Aragonier, die Deutschen und die Auvergner hatten ihm bereits ihre Unterstützung zugesichert. Wenn auch die Reihen des Ordens vor Helden nur so strotzten, so war doch die Führung Del Montes bei der Verteidigung von St. Michael ohnegleichen geblieben. Niemand konnte auch nur annähernd an den Respekt heranreichen, den man allenthalben für ihn empfand. Außerdem hatte nach neunzig Tagen Kampf niemand mehr die Courage für politische Manöver. Ludovico erwartete, daß er die Franzosen mühelos für seinen Plan gewinnen würde, wenn sie sich auch von Natur aus verpflichtet fühlten, zuerst stets Widerstand zu leisten.
    Ludovico trug seine schwarze Kutte. Es war ihm eine große Erleichterung, ohne seine Rüstung endlich wieder frei atmen zu können. Rücken und Rippen schmerzten ihn. Die Kugel, die ihn vor zwei Nächten getroffen hatte, hatte zwei Beulen von der Größe eines Hühnereis in seinen Rückenpanzer geschlagen. EinigeAugenblicke lang hatte er geglaubt, tot zu sein. Diese Erfahrung hatte ihn zutiefst verstört. Er hatte keine Furcht und keinerlei Reue verspürt. Er hatte sich gezwungen, sich das Bild Unseres Herrn am Kreuz vor Augen zu rufen, und hatte die Reueformel gemurmelt. Er hatte einen tiefen Frieden verspürt. Dann hatte Carlas Gesicht von seinen Gedanken Besitz ergriffen, und die Liebe zu ihr hatte sein Herz durchströmt. Furcht hatte ihn im nächsten Augenblick überfallen, Furcht, daß er seine Liebe niemals zum Ausdruck bringen könnte. Diese Sehnsucht glaubte er mit ins Jenseits, in alle Ewigkeit mitzunehmen – bis der getreue Anacleto auf ihn zugekrochen war, das ebenmäßige Gesicht zerfetzt. Da hatte Ludovico begriffen, daß der Tod doch noch nicht gekommen war.
    Der Gedanke an Carla brannte in seinen Eingeweiden wie ein Feuer, dessen Glut niemals erlöschen würde. Wie so oft würde auch hier nur Geduld reiche Ernte tragen. Der Deutsche würde nicht mehr lange im Vorteil sein.
    Ludovico hörte dröhnende Schritte auf dem Gang und wußte sofort, wer es war. Er schlug ein Buch auf dem Schreibtisch auf und gab vor, darin zu lesen. Die Tür wurde aufgerissen. Er starrte noch einen Augenblick länger auf die Seite und hob dann den Blick.
    »Hauptmann«, sagte er. »Ihr kommt eher, als ich erwartet hätte.«
    Tannhäusers Miene war wie versteinert. Eine Pistole steckte in seinem Gürtel, dazu noch ein Dolch mit türkischen Juwelenverzierungen an Scheide und Griff. Seine Augen blitzten mordlustig.
    Ludovico fuhr fort: »Amparo muß viel Vertrauen zu Euch haben, daß sie ihre Geschichte so schnell weitererzählte.«
    Anacleto erschien hinter Tannhäuser, die Hand am Schwertgriff.
    Ohne sich umzudrehen, drohte Tannhäuser: »Wenn Eurem Jüngling etwas an dem einen Auge liegt, das ihm noch geblieben ist, dann sollte er unverzüglich verschwinden.«
    Ludovico machte eine Kopfbewegung, und Anacleto ging.
    Tannhäuser zog aus seinem Brigantenwams ein in gewachstes Papier eingeschlagenes Päckchen heraus. Er warf es auf den Tisch. »Ein Viertel Opium, mit meinen Komplimenten«, spie er aus.»Ein mehr als fürstlicher Lohn für die Belästigung eines

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