Das Sakrament
letzten Blutstropfen. Was immer ihr Schicksal auch sein mag – wir werden es mit ihnen teilen. Die Wahl zwischen einer Niederlage und der ewigen Verdammnis ist keine Wahl.«
Erleichtert bestätigten auch alle anderen ihre Unterstützung. Zuletzt Claramont, der besondere Reue an den Tag legte, die La Valette mit erhobener Hand abwehrte. La Valette warf Starkey einen verständnissinnigen Blick zu, der diesen aufforderte, nun die Sitzung weiterzuleiten.
»Gibt es noch andere Angelegenheiten, die der Rat zu besprechen hat?« fragte Starkey.
Ludovico erhob sich. Seine sonore Stimme schien beinahe zu leise, um bis ans andere Ende des Tisches durchzudringen. »Mit der Erlaubnis Eurer Exzellenz, zwei Angelegenheiten«, sagte er. »Die erste ist etwas heikel, und ich hoffe, daß ich niemanden beleidige.«
»Sprecht frei heraus, Fra Ludovico«, sagte La Valette. »Die Anleitung durch den Heiligen Vater ist uns stets willkommen, und Ihr seid hier sein Sprachrohr.«
Der Widerhaken in dieser Lobrede entging Starkey genausowenig wie Ludovico, aber der Inquisitor verneigte sich nur elegant. »In der Schlacht am letzten Samstag wurde Eure Exzellenz verwundet, und die Sorglosigkeit, mit der Ihr Euer eigenes Leben betrachtet, ist wohlbekannt und eine Inspiration für uns alle.«
Zustimmendes Gemurmel für die Tapferkeit des Großmeisters war rings um den Tisch zu hören.
»Sie gibt uns aber auch Grund zur Sorge«, fuhr Ludovico fort. »In diesen schrecklichen Zeiten kann der Tod jeden von uns in einem einzigen Atemzug treffen. Wie die Ereignisse jenes Tages bewiesen haben, würde der Verlust Eurer Exzellenz eine Lücke reißen, die sich zu einer Katastrophe ausweiten könnte, wenn sie nicht sogleich wieder geschlossen würde.«
Ludovico hielt inne, die Augen unverwandt auf La Valette gerichtet.
Der Großmeister deutete ihm mit gleicher Gelassenheit an, er solle fortfahren.
»Wenn ich so kühn sein darf, dann möchte ich vorschlagen, daß der Heilige Rat den Nachfolger Eurer Exzellenz schon jetzt benennt und billigt, so daß unser Heer, falls sich diese schreckliche Katastrophe einstellen sollte, nicht der Führung verlustig gehen wird, die für seinen Mut und seine Moral so lebenswichtig ist.«
Die Spannung rings um den Tisch war beinahe zu greifen. Jeder Mann hatte diese Möglichkeit bereits in Gedanken erwogen, doch keiner hätte gewagt, davon zu sprechen.
»Mir ist klar, daß dies bedeutet, daß wir das förmliche Wahlverfahren aussetzen müssen«, sprach Ludovico weiter. »Unter solchen Umständen, wie wir sie soeben bedacht haben, wären drei Tage der Ungewißheit höchst gefährlich.«
La Valette antwortete ohne Zögern. »Das Rat dankt Euch dafür, daß Ihr diese Angelegenheit ins Gespräch gebracht habt, Fra Ludovico. Es war ein Fehler, daß ich es nicht selbst gemacht habe. Ich unterstütze das Argument, das Ihr vorgebracht habt, von ganzem Herzen und hoffe, daß auch unsere Mitbrüder mit mir darin übereinstimmen.«
Er schaute rings um den Tisch, ob jemand dies bestritt, fand aber niemanden. Er schaute Ludovico an. »Ich gehe davon aus, daß Ihr Euch bereits einen Kandidaten überlegt habt.«
Ludovico antwortete: »Admiral Pietro del Monte von der italienischen Zunge.«
Keiner rührte sich. Aller Augen waren auf La Valette gerichtet. Der Großmeister schaute zu Del Monte.
»Fra Pietro und ich sind auf demselben Deck zur See gefahren«, meinte La Valette. Die Wärme und Erleichterung in seiner Stimme ließ sofort die Spannung rings um den Tisch abflauen. »Was die Brillanz und Tapferkeit seiner Verteidigung der Festung St. Michael angeht, so läßt sich die nur noch mit St. Elmo vergleichen – und dieser epische Kampf, da sind wir uns alle einig, ist unerreicht. Wenn es einen Mann in der Christenheit gibt, der für diese Aufgabe besser geeignet ist, dann wüßte ich gern seinen Namen.«
Einer nach dem anderen stimmten die Mitglieder des Obersten Rates in dieses Loblied ein, und Del Monte wurde zu La Valettes Nachfolger auf dem Thron des Großmeisters gesalbt.
Als der Admiral die Wahl mit der für ihn typischen Bescheidenheit annahm und dabei nicht mehr Worte als unbedingt notwendig machte, überlegte Starkey, wie geschickt Ludovico doch vorgegangen war. Solche Einigkeit hatte noch nie bei einer Wahl geherrscht. Selbst La Valettes Erhebung zum Großmeister war zwar einstimmig, aber nur durch hektische Intrigen, Bestechungen und Zwang möglich gewesen, bei denen Starkey eine Schlüsselrolle gespielthatte.
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