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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Zweifel hegen.«
    Der Inquisitor blickte zu Gonzága, den das Geschehen nicht nur schockiert hatte, sondern der auch nur mit größter Mühe verhindern konnte, daß ihm die Satteltaschen aus der Hand glitten. Ludovico wandte sich wieder zu Tannhäuser.
    »Wir wollen beten, daß die Gnade Gottes uns beide von Sünden befreit.«
    »Ich dachte, diese Macht hättet Ihr Priester Euch vorbehalten.«
    »Da gehen die Meinungen der Gelehrten auseinander«, entgegnete Ludovico. »Der Priester kann Euch von der Bestrafung für Eure Sünden freisprechen, aber wenn, wie es einige der höheren Obrigkeiten behaupten, die Sünde als Verhärtung des Herzens zu sehen ist, dann kann diese nur durch Leid gebrochen werden.«
    »Auch Ihr habt ein gerüttelt Maß an Leid verursacht«, meinte Tannhäuser.
    »Wer von uns hätte das nicht?« sagte Ludovico, und Tannhäuser nickte. Der Inquisitor fuhr fort: »Und wenn uns das Leid die Tore zur Gnade Gottes öffnet, welcher Mensch würde dann davor zurückschrecken?«
    Tannhäuser gab ihm keine Antwort. Ludovico lächelte mit einem Anflug von Melancholie. »Ich halte Euch von Euren Geschäften ab. Trotz Eurer schamlosen Gotteslästerungen würdet Ihr vielleicht die Absolution eines bescheidenen Priesters annehmen, ehe wir voneinander scheiden? Es würde mein Gewissen beruhigen, wenn schon nicht Eures.«
    Tannhäuser warf einen Blick auf Anacleto und bemerkte den Schatten eines Lächelns auf dessen Lippen. Er zögerte, dann neigte er den Kopf. Ludovico hob die Hand und schlug das Kreuzzeichen über ihm.
    »Ego te absolvo a peccatis tuis, in nomine Patris et Filii et Spiritus Sancti, Amen.«
    Tannhäuser blickte hoch. Er bemerkte, daß Ludovico die kältesten Augen hatte, die er je gesehen hatte.
    »Assalaamu alaykum wa rahmatullahi wa barakatuh« , sagte Tannhäuser.
    »Bis wir uns wiedersehen«, erwiderte Ludovico.
    »Ich werde mein eigenes Feuerholz mitbringen.«
    Tannhäuser schaute dem Dominikaner nach, der davonschritt, den keuchenden Gonzága im Schlepp. Anacletos wölfische Gestalt bildete die Nachhut. Als sie sich zehn Schritte entfernt hatten, schaute Anacleto ganz betont über die Schulter zurück. Tannhäuser wich seinem Blick nicht aus, und Anacleto wandte sich ab. Sogleich wurde das Trio vom Tumult des Hafens verschluckt.
    »Willst du uns alle auf die Folterbank bringen?« herrschte ihn Bors an. »Solche Torheit habe ich noch nie gesehen.«
    »Der Adler jagt keine Würmer«, erwiderte ihm Tannhäuser. »Ludovico hat es auf den Orden abgesehen.«
    »Ich habe sein Gesicht gesehen, als er dir die Absolution erteilt hat«, beharrte Bors. »Als würde er dich geradewegs zum Galgen schicken. Oder zum Scheiterhaufen. Merk dir meine Worte: Dieser Segen wird dir noch zum Fluch werden!«
    Tannhäuser schlug ihm auf die Schulter. »Segen oder Fluch, ich glaube an keines von beiden. So, und jetzt an die Arbeit.«
    Der Kapitän der Galeere war der Cavaliere Giovanni Castrucco, den Tannhäuser kannte. Es wurden also nur kurz Höflichkeiten ausgetauscht, und dann bat man ihn mit Bors an Bord, wo ihr Frachtbrief vom Proviantmeister geprüft und abgestempelt wurde. Anschließend machten sie sich daran, das Laden der Fracht zu organisieren, das den ganzen restlichen Tag in Anspruch nehmen würde. Die Zahlung würde auf ihr Bankkonto in Venedig erfolgen. Die Couronne würde mit der Mitternachtsflut auslaufen, da die Vorhut der Türken jederzeit auftauchen konnte. Castrucco wollte auf keinen Fall eine Blockade riskieren. Als alle Geschäfte erledigt waren, gingen Tannhäuser und Bors von Bordund trafen am Kai Oliver Starkey. Tannhäuser streckte ihm die Hand entgegen.
    »Bruder Starkey. Ein unerwartetes Vergnügen.«
    »Tannhäuser.« Starkey drehte sich um und schüttelte auch Bors die Hand. »Und Bors von Carlisle.«
    Er sprach den Namen seines Landsmannes mit ironischem Vergnügen aus. Es stimmte schon, Bors’ Spitzname war ein wenig extravagant, da er doch einen Hauch von edler Geburt andeutete, aber das galt auch für »Tannhäuser«. Sie hatten sich in Mailand über einer Flasche Branntwein ihre noms de guerre ausgedacht, als sie versuchten, Alva ihre Kriegsdienste anzubieten. Das Schlammloch, aus dem Bors stammte und das auf keiner Karte verzeichnet war, lag zumindest in der Nähe von Carlisle. »Tannhäuser« war aus einer Ritterballade entlehnt, in der ein Ritter von Frauen geplagt und dann aus der Gottesstadt verbannt wurde. Legitim oder nicht, ein Name besaß eine ganz eigene Kraft, und

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