Das Sakrament
Taverne umgegangen war. Sie schwieg.
Tannhäuser versuchte es noch einmal mit seinem unbeholfenen Französisch. »Bitte sagt mir, wie ich Euch helfen kann.«
Er hörte zu, während Amparo zu ihm sprach wie zu einem einfältigen Kind, und obwohl ihn dies in die Lage versetzte, ungefähr zu verstehen, was sie sagte, konnte er sich doch des Gefühls nicht erwehren, daß sie ihn auch als törichtes Kind sah. Sie redete einigen Unsinn über einen nackten Mann auf irgendeinem Pferd, wobei sie mit fuchtelnden Händen auf Buraq deutete, und von einem Hund, der Feuer im Maul trug. Neben diesen rätselhaften Bemerkungen konnte er heraushören, daß sie von ihm verlangte, er solle ihrer Herrin, einer gewissen Madame La Penautier – nichts Geringeres als eine Contessa –, in der Villa Saliba in den Bergen jenseits der Stadt einen Besuch abstatten.
»Ihr wollt, daß ich die Contessa La Penautier in der Villa Saliba besuche?« Das Mädchen nickte. »Verzeiht«, fuhr er fort, »aber warum?«
Amparo wirkte erstaunt. »Es ist ihr Wunsch. Reicht das nicht?«
Tannhäuser stutzte. Er hatte keinerlei Erfahrung mit französischen Edeldamen, nicht einmal mit deren Zofen, falls Amparo eine war. Vielleicht befahlen sie stets Herren in dieser Manier zu sich, vielleicht waren ihre Zofen immer so seltsam wie dieses elfengleiche Mädchen. Wahrscheinlich aber eher nicht. Trotzdem war es für ihn ein völlig neues Erlebnis, und er fühlte sich geschmeichelt. Was konnte es schon schaden? Tannhäuser brauchte einen Augenblick, um seine Antwort zu formulieren.
»Sagt der Contessa, daß ich mit Vergnügen morgen in die Villa Saliba komme und zu ihren Diensten stehe.« Er lächelte zufrieden darüber, wie er diese verzwickte Sprache immer besser beherrschte.
»Nein«, erwiderte das Mädchen. »Heute. Jetzt.«
Tannhäuser warf einen Blick in die Gluthitze des sizilianischen Nachmittags. Die Aussicht auf sein Bad schmälerte sich zusehends. »Jetzt?« fragte er.
»Ich bringe Euch sofort zu ihr.«
Die Züge des Mädchens wirkten plötzlich beinahe gefährlich, als würde sie bei einer Weigerung unverzüglich wieder anfangen, herumzuwirbeln und seinen Namen zu schreien. Wegen der Zeit, die er inzwischen als die finsteren Jahre seines Zölibats betrachtete – denn so war die Regel der Janitscharen –, hatte Tannhäuser das zarte Geschlecht erst in fortgeschrittenen Jahren kennengelernt. Nur er allein wußte, daß er schon sechsundzwanzig Jahre alt gewesen war, als er endlich die Keuschheit hinter sich ließ. Daher schrieb er oft Frauen eine Macht und Weisheit zu, von der er zu vermuten begann, daß die meisten sie gar nicht besaßen.
»Nun gut«, lenkte er ein. »Die Luft wird meiner Gesundheit guttun.«
Er warf ihr ein Lächeln zu, von dem er hoffte, daß es bezaubernd war, das aber nicht erwidert wurde. Amparo machte auf dem Absatz kehrt, rannte zu ihrer Stute und sprang mit bewundernswerter Leichtigkeit in den Sattel. Kurz blitzte dabei eine muskulöse Wade auf, und die Bewegung unter ihrem Kleid bestätigte seine schönsten Hoffnungen auf die Größe ihrer Brüste. Mit übertriebener Geduld blickte sie auf ihn herab. Tannhäuser zögerte. Er war es nicht gewöhnt, so gehetzt zu werden. Bors tauchte im Türrahmen auf und wischte sich Blut von den Händen. Er sah zu dem Mädchen hin und warf Tannhäuser einen fragenden Blick zu.
»Man hat mich eingeladen, eine Dame zu besuchen«, verkündete Tannhäuser. »Keine Geringere als eine Contessa.«
Bors schnaubte vielsagend und lachte.
»Genug«, sagte Tannhäuser. Er schritt zu Buraq.
»Er ist Euer Vater?« erkundigte sich Amparo nüchtern.
Bors, dessen Französisch weit besser war als Tannhäusers, hörte auf zu lachen.
Nun war Tannhäuser an der Reihe zu lachen. »Nein, aber alt und fett genug wäre er.«
Amparo erwiderte: »Warum bittet Ihr ihn dann um Erlaubnis?«
Tannhäuser blieb das Lachen im Halse stecken. Er war entsetzt, daß sie die Lage so gedeutet hatte.
»Du gehst besser zu deiner Contessa«, meinte Bors, »bevor dieses Geschöpf hier uns beide besiegt.«
Tannhäuser stieg aufs Pferd. Ehe er wie beabsichtigt voranreiten konnte, hatte das Mädchen ihn schon hinter sich gelassen.
Sie ritten durch Straßen, die wegen der mörderischen Hitze menschenleer waren und vor Unrat in den Gossen stanken. Am nördlichen Stadttor kamen sie an Wagenrädern vorüber, die auf Stangen steckten und an denen man die Leichname von Gotteslästerern, Sodomiten und Dieben zur Schau stellte,
Weitere Kostenlose Bücher