Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
Vom Netzwerk:
murmelte: »Ludovico Ludovici.«
    »Der Inquisitor?« wollte Bors wissen.
    Die Welt, in der Tannhäuser lebte, schien wahrscheinlich den meisten gewöhnlichen Sterblichen sehr groß, doch die Landkarte, auf der er seine Freunde verzeichnete, war sehr viel kleiner. Und die Landkarte des Bösen war noch viel kleiner.
    Er antwortete: »Ludovico hat Petrus Grubenius auf den Scheiterhaufen geschickt.«
    Bors packte ihn an der Schulter und versuchte, ihn aus Ludovicos Weg zu schieben. »Was vorbei ist, ist vorbei. Wir sollten uns um unsere Geschäfte kümmern.«
    »Ich war ein Barbar, und Petrus hat einen Menschen aus mir gemacht. Er war mein Lehrer. Er war mein Freund.«
    »Und wer sich einen Feind hält, gegen den er nicht ankämpfen kann, der ist ein Narr.«
    Tannhäuser trat einen Schritt zurück, aber er wandte die Augen nicht von Ludovicos Gesicht und bemerkte, daß auch der Inquisitorihn musterte, während er näher trat. Der kleinere Mönch, ein blasser Bursche mit verächtlichem Gesichtsausdruck, der unter zwei schweren Satteltaschen schwitzte, wollte schon an ihnen vorbeigehen. Im letzten Augenblick hielt jedoch Ludovico inne, wandte sich um und schaute Tannhäuser höflich an. Er deutete auf den wachsbleichen Mitbruder.
    »Darf ich Pater Gonzága vorstellen, den Legaten der Heiligen Inquisition in Messina.«
    Gonzága, den Ludovicos Verweilen sehr verblüfft hatte, schaffte mit knapper Not ein Nicken.
    »Und dies ist – Anacleto.«
    Der seelenlose junge Spanier starrte Tannhäuser mit eiskalten Augen an.
    »Ich bin Pater Ludovico. Doch Euch zu kennen habe ich nicht die Ehre.«
    Ludovicos Stimme rollte über ihn hinweg, ruhig und tief wie eine stille See. Und doch lauerten unter der Oberfläche Ungeheuer. Tannhäuser deutete mit der Hand auf Bors. »Bors von Carlisle.« Dann verneigte er sich kurz. »Hauptmann Mattias Tannhäuser.«
    Ludovicos Aufmerksamkeit war gefesselt. »Euer Ruf eilt Euch voraus.«
    »Jeder Hahn ist König auf seinem eigenen Misthaufen«, erwiderte Tannhäuser.
    Diese barsche Antwort erstaunte Ludovico, und sein Mund verzog sich zu einem matten Lächeln. Gonzága entfuhr ein entsetzter Laut. Anacleto beobachtete Tannhäuser, wie eine Katze einen Vogel auf dem Hof belauert. Bors schaute auf Anacleto und ließ die Finger spielen, die viel lieber ein Messer gehalten hätten.
    »Ihr seid ein Philosoph«, meinte Ludovico, »und ein scharfsinniger noch dazu.«
    Trotz des alten Hasses, der wieder in ihm aufgelodert war, stellte Tannhäuser fest, daß er begann, sich für den Mönch zu erwärmen, ein Zeichen dafür, daß Ludovico gefährlicher war, als er sich vorzustellen vermochte. Tannhäuser schüttelte den Kopf.»Euer Gnaden schmeicheln mir. Ich bin ein Mann, den das Glück begünstigt hat, aber ein einfacher Mann.«
    Diesmal lachte Ludovico laut auf. »Und ich bin ein bescheidener Priester.«
    »Dann treffen wir uns als unseresgleichen«, antwortete Tannhäuser.
    Gonzága betrachtete inzwischen seinen Herren mit unverhohlener Überraschung.
    Ludovico lächelte wieder. »Sagt mir, woher Ihr mich kennt, Hauptmann Tannhäuser. Wenn wir uns schon einmal getroffen hätten, würde ich mich gewiß daran erinnern.«
    »Ich habe Euch bisher nur einmal gesehen, vor vielen Jahren, und da auch nur von weitem. In Mondovi.«
    Ludovico schaute in die Ferne, als müsse er sich eine Szene in Erinnerung rufen. Dann nickte er. »Außer mir wart Ihr der größte Mann auf der Piazza.« Sein Blick kehrte zu Tannhäuser zurück, und der Schatten einer ungewissen Trauer huschte über sein Gesicht. Tannhäuser wußte nun, daß sie sich beide an dieselbe Feuersäule und die wilden Schreie desselben Mobs erinnern konnten.
    Ludovico sagte: »Die Welt ist vom Bösen überschwemmt, und überall zeigen sich Zeichen für das Werk des Satans.«
    »Darin will ich Euch nicht widersprechen«, erwiderte Tannhäuser.
    »Unter den Piemontesen ging die Gottlosigkeit um«, sagte Ludovico. »Die Reinheit des Glaubens war durch Kriege getrübt. Üble Lehren gediehen. Die Disziplin mußte wiederhergestellt werden. Ich bin froh, daß Ihr nicht unter den Schuldigen wart.«
    Tannhäuser spuckte auf den Kai. »Meine Bosheit ist von zu gewöhnlicher Art, als daß sie die Aufmerksamkeit von Menschen wie Euch erregen würde«, antwortete er. »In Mondovi habt Ihr nur ungewöhnliche Menschen ermordet. Ungewöhnlich gelehrte Menschen. Wie Petrus Grubenius.«
    An der leichten Veränderung im Licht von Ludovicos Augen konnte man ablesen, daß er

Weitere Kostenlose Bücher