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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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der Gouverneur in einem einzigen Jahr mehr für die spanische Krone, als der Rest der Insel in fünf Jahren erbrachte. Was die Kirche betraf, bestand hier die Heilige Inquisition aus einer Legion von Entführern, Mördern und Dieben und zählte in ihren Reihen Ritter, Barone, Kaufleute, Handwerker, Kriminelle aller Art und selbstverständlich den größten Teil der Polizei. Ein Ort ohnegleichen, an dem ein Mann wie Tannhäuser sein Glück machen konnte.
    Die Bucht von Messina bildete einen vollkommenen Naturhafen, der von befestigten Molen und den Kanonen des ungeheuren Arsenals geschützt wurde, das hier das Meer beherrschte. Dahinter lag die alte, mit einer Mauer bewehrte Stadt. Die Umrisse ihrer Türme und Campanili flirrten in der Hitze des Mittags. An den riesigen Docks ragte ein Wald von Masten, Spieren und gerefften Segeln auf. Außer einigen Fischerbooten und Küstenfahrern und einer spanischen Galeasse, die auf der offenen See Patrouille fuhr, lag das Meer ruhig da, denn die meisten Seefahrer harrten in diesen gefährlichen Tagen aus, bis man mehr über die Absichten des Großtürken wußte.
    Der Kai der Ritter vom Hospitalerorden befand sich eine halbe Seemeile vom »Orakel« entfernt. Unterwegs dorthin klappertenTannhäuser und sein Gefolge über die Pflastersteine, passierten Kramerläden und Seilerbahnen, Gewürzlager und Getreidespeicher, Bordelle und Geldwechselstuben. Sie ritten vorbei an Lastkränen, die von Sklaven in riesigen Treträdern angetrieben wurden, vorbei an aufgebockten Galeeren; vorüber an Essensverkäufern, die Innereien brieten, vorbei an Krummhölzern, an denen frisch abgehäutete Lämmer hingen; vorbei an Straßenfegern, die Exkremente auf stinkende, von Fliegen übersäte Karren schaufelten; vorbei an Bettlern ohne Beine und barfüßigen Straßenjungen und Bettelmönchen, die um Almosen flehten; vorbei an Frauen, die mit den Händlern feilschten; vorbei an Horden von Bravi , die höhnisch grinsend und mit verborgenen Dolchen herumstolzierten. Das ungeheure Ausmaß dieses Tumultes, der sich erstreckte, so weit das Auge reichte, offenbarte Tannhäuser wieder, daß Sabato Svi recht hatte: Sie waren noch nicht reich genug. Er beschloß, auf dem Nachhauseweg Dimitrianos seine Aufwartung zu machen und sich anständigen Proviant für die Reise zu besorgen.
    Die Couronne war lang und schnittig, einhundertachtzig Fuß vom Vorder- bis zum Achtersteven und nur zwanzig Fuß breit. Wie alle Schiffe der Ritter war sie auf Geschwindigkeit und Angriff ausgelegt. Der Schiffsrumpf war schwarz gestrichen, und die riesigen Lateinsegel waren blutrot. Das goldene Kreuz mit den acht Spitzen, das darin eingewebt war, blendete das Auge. Am Kai standen etwa zwanzig Ordensritter in langen schwarzen Umhängen, um das Schiff willkommen zu heißen. Alle trugen Schwerter über den Kutten und sahen aus, als seien sie auf jede Gefahr gefaßt. Tannhäuser nahm an, daß sie erst kürzlich aus den am weitesten entfernten Prioreien des Ordens angekommen waren. Tatsächlich hatten einige deutlich deutsche oder skandinavische Züge, und andere sahen eher aus wie Spanier oder Portugiesen. Der Reihe nach umarmten sie zur Begrüßung einen schlanken Mitbruder, der mitten unter ihnen stand. Als der sich umwandte, um den nächsten zu begrüßen, erkannte Tannhäuser Oliver Starkey. Als ihre Blicke sich trafen, zeigte sich kurz Unbehagen auf Starkeys Gesicht, doch dann lächelte er und nickte, ehe er sichwieder seinen Mitbrüdern zuwandte. Tannhäuser winkte Bors zu sich.
    »Komm, wir wickeln unsere Geschäfte mit dem Kapitän ab und sprechen später mit Bruder Starkey.«
    Tannhäuser wollte schon den Fuß auf die Laufplanke setzen, als Bors ihm warnend eine Hand auf den Arm legte. Drei Männer kamen über das Fallreep herunter, die Sonne im Rücken. Zwei trugen die Gewänder der Dominikaner. Sie waren seltsame Weggefährten; der eine war beinahe doppelt so groß wie der andere. Hinter ihnen tauchte ein Spanier auf, der um die zwanzig Jahre alt sein mochte, mager wie ein Stecken und in ein feines schwarzes Wams gekleidet. Er hatte einen verderbten Zug um Augen und Mund und wirkte wie ein Mörder. An seinem Gürtel hingen ein Dolch und ein Schwert. Der größere der beiden Mönche schritt mit der Haltung eines Prinzen und der Demut eines Armen. Sein Weg mußte sich mit dem Tannhäusers kreuzen. Als der Mann aus dem grellen Licht trat, sah Tannhäuser sein Gesicht, und sofort krampfte sich ihm der Magen zusammen.
    Tannhäuser

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