Das Sakrament
ihre hatten ihnen bisher gute Dienste geleistet.
»Was bringt Euch so spät nach Messina?« fragte Tannhäuser.
»Ihr«, erwiderte Starkey.
»Wenn Ihr noch mehr Krieger braucht, kann ich ein paar zusammentrommeln – wenn auch die meisten betrunken sind und alle nichts als der Abschaum der Erde.« Er unterbrach sich, weil er auf Starkeys Zügen keinerlei Interesse wahrnahm. »Aber ich vergesse meine guten Manieren. Kommt und eßt mit uns an unserem Tisch …«
»Vergebt mir, Tannhäuser, aber mir steht der Sinn nicht nach Verstellung. Ich bin nicht gekommen, um mit Euch Handel zu treiben, sondern um Euch um einen großen Gefallen zu bitten.«
»Ihr seid unter Freunden. Fragt und dann zu Hölle damit.«
»Ich bin auf die dringende Anordnung des Großmeisters hergekommen, um Euch anzuflehen, mit dem Orden im Krieg gegen den Großtürken gemeinsame Sache zu machen.«
Tannhäuser blinzelte. Er warf Bors einen verstohlenen Blick zu.
Bors strich sich über den Schnurrbart und leckte sich die Lippen.
»Kurz gesagt«, fuhr Starkey fort, »der Großmeister möchte, daß Ihr Euch zu uns gesellt.«
»Auf Malta?«
»Auf Malta.«
Tannhäuser starrte Starkey so ungläubig und argwöhnisch an, daß Bors sich mit den Händen auf die Schenkel schlug und vor Lachen brüllte. Er lachte so unbändig, daß die Matrosen, die die Lateinsegel rafften, und die Stauer, die an den Karren schwitzten, ihre Arbeit unterbrachen und ihn anstarrten.
D IENSTAG , 15. M AI 1565
In der Taverne »Zum Orakel« – Am Tor von Messina – In den Neptun-Bergen
Tannhäuser kehrte übelgelaunt von der Couronne zurück. Starkey hatte all seine Überredungskünste angewendet und moralische, politische, finanzielle und landsmannschaftliche Gründe angeführt, um ihn für seine Sache zu gewinnen. Er hatte ihm Ruhm, Reichtümer, Ehre und die ewige Dankbarkeit Roms versprochen. Er hatte gebettelt, geschmeichelt und gedroht. Er hatte die Summae des Thomas von Aquin heraufbeschworen, die Autorität des heiligen Bernhard von Clairvaux sowie rührende Beispiele von Heldenmut aus Antike und Neuzeit. Nur des Mangels an Mut hatte er Tannhäuser nicht bezichtigt, und doch hatte der auf all diese Versuche und Vorschläge mit einer kategorischen Weigerung reagiert, für den Orden zu den Waffen zu greifen. Die maltesische Ilias, wie Starkey sie bezeichnete, würde ohne ihn stattfinden müssen. Tannhäuser hatte seit Jahren keinen Menschen mehr getötet, und obwohl derlei Taten gewöhnlich sein Gewissen nicht belasteten, vermißte er das Töten auch nicht. Als Belohnung für die Schufterei des Morgens hatte er sich ein Bad im Lagerhaus versprochen.Bors ritt schweigend neben ihm. Als sie sich dem »Orakel« näherten, deutete Bors mit einer Kopfbewegung auf ein im Schatten angebundenes Pferd und sagte nur: »Ärger.«
Tannhäuser sah, daß das Pferd eine herrliche braune Stute war, mit einem teuren Sattel und einer kostbaren Schabracke geschmückt. Von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, war es für die Gäste seiner Taverne unwahrscheinlicher, je ein solches Pferd zu besitzen, als ins Kardinalskollegium aufgenommen zu werden. Als sie auf dem Weg zu den Stallungen an der Tür des »Orakels« vorbeikamen, warf Tannhäuser einen kurzen Blick hinein und bemerkte einen besonderen Tumult. Den Kern des Aufruhrs bildete eine Gruppe Säufer, die Schulter an Schulter im Kreis stand wie Zuschauer bei einer Rauferei. Tannhäuser stieg sofort vom Pferd, reichte Bors die Zügel und trat über die Schwelle, um den schmutzigen Kerlen über die Schulter zu spähen.
Mitten im Schankraum wirbelte ein Mädchen in einem grünen Reitgewand wie ein Derwisch herum, die Arme wie Flügel ausgestreckt. Um sie herum stand eine aufgeregte Menge lärmender Trinker, die ihr in sizilianischer Mundart zotige Bemerkungen zuschrien und ihr Käserinden, Kerzenwachs und Brot an den Kopf warfen. Das Mädchen war eindeutig von Sinnen, obwohl man ihr das bei diesem Bombardement von Unflätigkeiten und Unrat kaum übelnehmen konnte. Zu allem Übel stachelte sie die primitive Phantasie ihrer Peiniger noch weiter an, indem sie mit schriller Stimme seinen Namen sang. »Tannhäuser! Tannhäuser! Tannhäuser!«
Tannhäuser seufzte. Er zog sein Schwert zurecht, so daß es noch eindrucksvoller wirkte, und trat mit großen Schritten in die Taverne, als wüßte er genau, was nun zu tun sei.
Die Rüpel hatten solchen Spaß, daß nur wenige sein Erscheinen bemerkten. Als ein stiernackiger Kerl sich von seiner
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