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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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erbrechen, reichte er ihn Anacleto. »Ich werde mir den Brief bei Gelegenheit gründlich ansehen«, sagte Ludovico.
    »Ihr stellt Euch also über die Autorität des Großmeisters?« fragte Carla.
    Ludovico schaute sie an und neigte den Kopf. »In Fragen der Inquisition besitzt der Großmeister keinerlei Autorität.«
    Tannhäuser warf Carla einen Blick zu, ihr Versuch sei zwecklos, doch sie ignorierte ihn. Ihre Lippen waren blaß, und ihre Verachtung war ungezügelt. Tannhäuser schaute sie mit neuen Augen an. Er hatte nicht gewußt, daß sie solche Wut ausstrahlen konnte.
    »Dann sagt mir«, fuhr sie fort, »ob wir als Deserteure oder als Ketzer verhaftet wurden? Oder gebt Ihr zu, daß Ihr hier der einzige seid, der üblen Verrat begangen hat?«
    Ludovico antwortete: »Auch diese Fragen werden zur rechten Zeit und am rechten Ort zur Sprache kommen. Im Augenblick wäre es besser, wenn nichts mehr gesagt wird.«
    Sie schien ihm noch weiter widersprechen zu wollen.
    Tannhäuser sagte: »Carla.«
    Sie schaute ihn an und biß sich auf die Zunge. Ludovico neigte sich zu Escobar de Corro, der Tannhäuser unsanft von den anderen wegdrängte. Dann sah sich Tannhäuser von den drei Rittern umstellt. Er warf Bors einen beruhigenden Blick zu. Nicodemus war wieder ohnmächtig geworden, und der Spanier Remigio packte seinen anderen Arm. Die beiden italienischen Abenteurer, welche die niedergelegten Feuerwaffen aufgesammelt hatten, trieben Amparo und Carla vor sich her. Ludovico machte eine Handbewegung zu Anacleto hin, der sie alle durch die Straßen anführte.
    Escobar de Corro stieß Tannhäuser in die entgegengesetzte Richtung.
    Amparo schaute sich zu ihm um und blieb stehen. Sie riß sich los, um auf ihn zuzulaufen.
    Anacleto packte sie beim Handgelenk und zerrte sie zurück. Amparo strauchelte. Da brach aus Carla all die in ihr aufgestauteWut hervor. Sie schlug Anacleto mit ganzer Kraft in sein entstelltes Gesicht. Er wich mit einem Schmerzensschrei zurück. Bors warf Tannhäuser einen flehenden Blick zu, er möge ihm das Signal zum Angriff geben, doch Tannhäuser schüttelte stumm den Kopf. Anacletos Mund verzerrte sich vor Schmerz. Er wollte sein Schwert zücken und auf Carla losgehen. Tannhäuser drängte Bruno Marra mit der Schulter zur Seite, riß dem Ritter einen Dolch aus dem Gürtel und stürmte vor.
    »Anacleto!«
    Ludovicos Stimme, die sonst immer so gleichmütig gewesen war, ließ Anacleto innehalten. Er erstarrte, gaffte Carla jedoch immer noch mit einem vor Mordlust funkelnden Auge an. Auch Tannhäuser hielt inne, blieb aber nah genug, um Anacleto niederzustrecken, wenn es sein mußte. Anacleto steckte das Schwert wieder in die Scheide. Amparo, die über das, was sie ausgelöst hatte, stumm vor Schrecken war, umklammerte Carlas Hand. Ludovico blickte auf Tannhäuser, auf den Dolch in seiner Hand. Tannhäuser war nah genug, um auch ihn zu töten. Er dachte darüber nach.
    Ludovicos Stimme war wieder ruhig. »Was soll es sein, Hauptmann?«
    »Wo bringt Ihr sie hin?« fragte Tannhäuser.
    »Sie bleiben meiner Gerichtsbarkeit unterstellt, bis sie dem Gericht vorgeführt werden. Ihr braucht Euch um ihr Wohlergehen nicht zu sorgen.«
    »Und Eure Höllenhunde – könnt Ihr die zügeln?«
    »Darauf gebe ich Euch mein Wort.«
    »Ludovico, bitte«, sprach Carla dazwischen, »laßt auch Tannhäuser mit uns kommen.«
    »Ich werde schon kommen«, warf Tannhäuser ein, der noch mehr Aufsehen befürchtete. »Seid tapfer, und laßt den Mut nicht sinken.«
    Tannhäuser wandte sich Ludovico zu. »Wohin bringen mich diese Schurken?«
    »Ein Mann wie Ihr kann die Hölle nicht verlassen, ohne vorher ihren innersten Kreis kennengelernt zu haben.«
    »Das wäre wirklich schade«, stimmte Tannhäuser ihm zu. Die Miene des Mönchs war undurchdringlich. Tannhäuser fragte: »Und dort werden wir uns treffen, Ihr und ich?«
    Ludovico nickte. »Dort werden wir uns treffen.«
    »Das ist mir gut genug.« Tannhäuser warf Marra den Dolch zu, ohne ihn eines Blickes zu würdigen.
    Dann kehrte er Ludovico den Rücken zu und ging ohne ein Wort davon.
    Die drei Ritter geleiteten Tannhäuser durch die zerstörte Stadt. Auf Tannhäusers Frage nannte der jüngere Ritter seinen Namen, Pandolfo von Siena, und erntete von Escobar de Corro für diese Höflichkeit einen finsteren Blick. Nach dieser furchtbaren Schlacht, die alle erschöpft hatte, war die Stadt so ruhig wie nie zuvor. Außer einer hohlwangigen Mutter, die offenbar ihre Kinder suchte,

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