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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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würde nicht weit zu hören sein. Da sie das Fallgatter hinter sich geschlossen hatten, mußten sie das Ausfalltor nicht wieder schließen, sobald sie draußen waren. Sie schauten einander an. Nun gab es kein Zurück mehr.
    » Alea iacta est «, flüsterte Bors.
    Soviel ungewohnte klassische Gelehrsamkeit aus seinem Mund brachte ihm einen besorgten Blick Carlas ein. Sie sah im Fackelschein sehr hager aus, konnte aber mit äußerster Beherrschung ihre Furcht im Zaum halten. Tannhäuser nickte ihr aufmunternd zu. Amparo, die sich inzwischen mit Buraqs Schicksal abgefunden hatte, war so gelassen, als befände sie sich auf einem Sonntagsspaziergang. Tannhäuser hob die Fackel, die sie brauchen würden, um das knifflige Rätsel des Ausfalltors zu lösen. Der breite Gang war schwach erleuchtet bis zum Blutwinkel, wo man Eindringlinge unter dem Mordloch in der Tunneldecke festhalten konnte. Tannhäuser führte sie an.
    Trotz all der Gefahren, die er in seiner Laufbahn bislang erlebt hatte, konnte er sich nicht erinnern, daß sein Herz schon einmal derart laut gepocht hatte. Er war überrascht, daß die anderen es nicht hörten. Er schaute zu Bors, um zu sehen, ob auch dessen sechster Sinn etwas erspürt hatte, doch sein Gefährte schien völlig ungerührt. Als sie unter dem Mordloch entlanggingen, konnte er nicht umhin, sich nach griechischem Feuer oder siedendem Öl umzuschauen, nach Lunten oder Männern, doch der Gang über ihnen schien verlassen, und sein pochendes Herz beruhigte sich. Außer zwei Lederschläuchen voll Wasser und den Satteltaschen, die Bors auf dem Rücken trug und die mit Opium und genug Edelsteinen vollgestopft waren, um den Sohn eines Kaisers auszulösen, waren sie mit sehr leichtem Gepäck unterwegs. Carla führte als Zugeständnis an seine Bitte ihr rotes Kleid in einem Beutel mit sich. Ausgerechnet Tannhäuser hatte erwogen, ob sie die Gambe mitnehmen sollten, das Instrument dann aber doch,wenn auch nur ungern, zurückgelassen. Sie erreichten das äußere Ausfalltor. Das Kalkara-Tor erhob sich vor ihnen.
    Tannhäuser hielt die Fackel und half Bors, die vielen Riegel und Verstrebungen zu lösen, die das Ausfalltor sicherten. Sie waren schon halb damit fertig, als Tannhäuser den Engländer bei der Schulter packte, um ihn innehalten zu lassen. Die Winde des Fallgatters war gut geölt. Davon hatten sie sich an diesem Abend selbst überzeugen können. Es bestand jedoch kein Zweifel: Sie konnten das leise Quietschen hören, als das Gatter wieder hochgezogen wurde.
    »Kannst du im Dunkeln weitermachen?« fragte Tannhäuser.
    Bors schaute sich die übrigen Riegel und Bolzen an. »Kannst dich drauf verlassen«, antwortete er und machte sich an die Arbeit.
    Auf der einen Seite des Ausfalltores war eine Nische für einen Wachtposten eingelassen. Ohne viel Federlesens stieß Tannhäuser Carla und Amparo in diese Nische und bedeutete ihnen mit einer Handbewegung, daß sie still sein sollten. Er wandte sich um und warf die Fackel von sich. Sie flog in einem lodernden Bogen und landete in einem Funkenregen unter dem Mordloch. Er kehrte wieder zurück, nahm sein Gewehr und kniete sich hin. Mit der Pistole im Gürtel und mit Bors’ langer Flinte konnten sie drei Runden Schüsse abgeben. Er fand keine Freude an dem Gedanken, irgendeinen armen Wachmann erschießen zu müssen, der sie zufällig auf frischer Tat ertappte. Wenn der Kerl seine Fassung wahrte, konnten sie ihn vielleicht einfach nur überwältigen. Riegel klackten hinter ihm. Bors grunzte, und das Tor quietschte in den Angeln. Eine steife Brise wehte von der Bucht herauf.
    »Fertig«, verkündete Bors.
    »Halt«, sagte Tannhäuser.
    Er hörte Schritte hinter dem Blutwinkel und sah eine zweite Fackel lodern.
    Nicodemus trat ins Licht. Er war unbewaffnet.
    Erleichtert senkte Tannhäuser sein Gewehr. Nicodemus konnten sie mitnehmen. Vielleicht hätten sie von Anfang an daran denken sollen. War er ihnen gefolgt, oder hatte ihm jemand von ihrenFluchtplänen erzählt? Er schaute Bors an, der seine Flinte im Schatten an sich drückte.
    Bors zuckte die Achseln. »Ich habe kein Wort gesagt.«
    Es war überflüssig, die Frauen zu befragen.
    Nicodemus blieb bei der Fackel stehen. Er schaute in die Finsternis. »Mattias?«
    »Nicodemus«, erwiderte Tannhäuser. Er sprach türkisch. »Was gibt es für Neuigkeiten?«
    »Man hat euch verraten«, antwortete Nicodemus.
    Tannhäuser spürte, wie sich sein Magen zusammenzog. »Nicht du, hoffe ich.«
    »Nein.«
    »Wer

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