Das Sakrament
wie dunkle Gänge zu einem furchtbaren Jenseits.
»Ich habe mich gefragt«, sagte er, »wie ich die Zuneigung einer Frau zurückgewinnen kann, der ich auf vielerlei Weise so sehr weh getan habe. Deren Stolz ich verletzt habe. Die ich ihrer Freiheit beraubt habe. Deren geliebte Freunde ich zu Finsternis und Ketten verurteilt habe.«
Carla spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Sie schluckte.
»Auf all diese Fragen habe ich keine Antworten gefunden«, sagte er. »Denn ich bin in einer tieferen Finsternis angekettet als sie alle. Obwohl ich die Knoten vieler Rätsel durchschlagen und viele weitere aufgelöst habe, so ist doch dieses eine Rätsel zu schwer selbst für meinen Verstand, denn seine verworrenen Fäden sind die meiner eigenen Gefühle. Der Krieg und seine Ekstasen haben diese Stricke nur noch enger gezogen. Wut, Mitleid und Lust haben mich ergriffen. Die Liebe hat mich erstickt, daß ich in der Nacht aufgewacht bin und geglaubt habe, meine letzte Stunde habe geschlagen. Aber dem war nicht so. Doch selbst auf dem Schlachtfeld, selbst als mir Euer deutscher Freund eine Kugel in den Rücken schoß, wurde mir der Tod verweigert. Nun sind die Dingezwar nicht, wie ich sie mir wünschen würde, aber so, wie sie eben sind. Deswegen komme ich her und appelliere an Euer Mitgefühl.«
Carla wich seinen Augen aus, um zu ihren eigenen Gedanken zurückzufinden. Sie hatte gebetet, ja. Mattias hatte ihr gesagt, sie solle sich selbst treu bleiben, koste es, was es wolle. Sie hatte Tag und Nacht mit diesem Rätsel gerungen. Was hatte es zu bedeuten? Daß sie unter keinen Umständen Ludovicos Forderungen erliegen durfte? Daß sie alle auf dem Scheiterhaufen geopfert werden würden – in einer Welt, die ohnehin schon den Ruch von Opfer und Tod hatte? Das bedeutete es sicher nicht, überlegte sie, aber das war die einzige Wahl. Und wie immer hatte Mattias genau das gemeint, was er gesagt hatte: daß sie ihrer höchsten Vorstellung von sich selbst treu bleiben sollte, nicht irgendeiner Vorstellung, die sich andere von ihr machten. Carla schaute zu Ludovico zurück.
»Könnt Ihr uns nicht einfach unser Leben weiterleben lassen und Euren Trost in Gott suchen?«
»Habt Ihr diesen Trost gefunden?«
»Ja«, erwiderte sie schlicht.
»Und doch seid Ihr nach Malta zurückgekehrt.«
»Trotz Eurer Anschuldigungen bin ich nicht zurückgekommen, um Euch Schmerzen zu bereiten.«
»Trotzdem.«
»Ihr habt mir nicht geantwortet.«
Ludovico meinte: »Ihr habt noch nicht mit Tannhäuser geschlafen. Noch nicht.«
Woher wußte er das?
Er nickte. »Es gibt wenig, was ich nicht weiß. Noch weniger, was ich nicht tun würde. Ich werde Euch dem Deutschen nicht überlassen, und wenn ich dafür in der Hölle schmoren muß. Ich habe schon so viele Todsünden begangen. Ich kann sie nicht ausmerzen. Gott sieht die Wahrheit in meinem Herzen und erkennt, daß ich keine Reue fühle. Wenn es also sein muß, werde ich lieber für Taten die Verdammnis erleiden als für Gedanken.«
Wenn sie je an seiner Entschlossenheit gezweifelt hatte, so war dieser Zweifel nun ausgeräumt.
Er sagte: »Hört mir zu, Carla. Was wir einmal hatten, kann niemals sterben. Die Auferstehung ist das Herzstück unseres Glaubens, genauso wie die Liebe, und das eine ist unauflöslich mit dem anderen verquickt. Ich liebe Euch. Mehr, als ich Gott liebe. Zusammen werden wir Frieden finden. Amparo bleibt Eure Gefährtin. Wir werden mit unserem Kind wieder vereint werden. Und mit der Zeit werdet Ihr die Zärtlichkeit wiederentdecken, die Ihr einmal für mich verspürt habt.«
»Mit unserem Kind?« fragte sie.
»Orlandu befindet sich im Gefolge des Abbas bin Murad, des Agas der Gelben Banner. Wenn die Entsatztruppen aus Sizilien eintreffen und die Türken in Verwirrung sind, werden meine Ritter und ich Orlandu aus ihren Klauen befreien.«
»Ihr wollt also Tannhäusers Rolle in mehr als einer Beziehung an Euch reißen.«
Ludovico zuckte zusammen. »Ich lasse es nicht zu, daß mein Sohn nach Konstantinopel gebracht und zu einem Ungläubigen erzogen wird. Es wäre mir lieber, er käme um, als daß seine Seele verlorenginge.«
Über diese letzte Bemerkung wollte Carla lieber nicht nachdenken. Sie fragte: »Eine Entsatztruppe ist unterwegs?«
»Wenn Toledos Heer eintrifft, gehen wir beide, Ihr und ich, nach Mdina. Dort werde ich mich der Entsatztruppe anschließen und Orlandus Rettung in die Wege leiten.«
»Und Mattias?«
»Ich werde ihn freilassen, daß er sich
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