Das Sakrament
verbargen sie nicht die Qualen, die in seinem Inneren tobten. In gewisser Weise sah er nun wieder mehr wie der Mann aus, in den sie sich einmal verliebt hatte. Andere seiner Züge dagegen waren ihr völlig unbekannt.
»Wo ist Amparo?« fragte sie.
»Ganz in der Nähe«, antwortete Ludovico. »Euch wurden wenige Annehmlichkeiten zuteil, aber doch mehr als den meisten in dieser Stadt. Diese Annehmlichkeiten kommen auch Amparo zugute. Ihr scheint bei guter Gesundheit zu sein, und man versicherte mir, sie sei es auch.«
»Ihr habt sie gesehen?«
»Nein.«
»Ich möchte sie sehen.«
»Bald«, erwiderte er.
»Sofort«, forderte sie.
»Darf ich mich setzen?«
Ludovico trat weiter ins Zimmer. Es war mit einem Bett und zwei Stühlen eingerichtet und sonst kahl. Seinen ursprünglichen Verwendungszweck hatte Carla daraus nicht ableiten können. Er humpelte, wollte sich dadurch aber gewiß nicht ihr Mitgefühl erwerben. Sie wußte, daß er ihre Forderung nicht erfüllen würde. Sie erinnerte sich an Tannhäusers Rat, sich mit dem Inquisitor besser nicht anzulegen. Sie nickte, und Ludovico setzte sich.
»Ich bedaure die Umstände unserer Begegnung«, sagte er. »Aber Ihr müßt verstehen, daß ich an bestimmte Verfahrensweisen gebunden bin und diese auch nicht ändern werde. Manche Aspekte meiner Pläne betreffen Euch, andere nicht.«
»Und Tannhäuser?«
»Sein Quartier ist nicht ganz so üppig ausgestattet, aber er wird nicht schlecht behandelt. Eure Gefährten können diese Prüfung unbeschadet überstehen. Teilweise hängt es von ihnen ab, teilweise von Euch.«
»Ihr seid also gekommen, um Drohungen gegen die Menschen auszusprechen, die ich liebe.«
»Ich bin gekommen, um Euch darüber aufzuklären, wie dieDinge liegen. Wie sie sich weiterhin entwickeln, hängt davon ab, welche Rolle wir alle spielen.«
»Und die Rolle, die von mir erwartet wird, ist noch immer die Eurer Geliebten? Eurer Frau?«
»Ich habe in dieser Angelegenheit viel gebetet und bin mir sicher, daß Ihr das auch getan habt.«
Sie antwortete mit Schweigen.
Er fuhr fort: »Ich glaube, daß es Gottes Wille ist, daß wir vereint werden. Daß es immer schon Gottes Wille war.«
»Ihr maßt Euch an, für Gott zu sprechen, wie es viele tun, die mit dem Bösen einen Bund eingegangen sind. Mir wäre es lieber, Ihr würdet von Eurem eigenen Willen und Wunsch sprechen.«
»Ich wünsche mir, daß Ihr glücklich werdet. Ich weiß, Ihr betrachtet mich in diesem Augenblick mit Verachtung und seht meinen Vorschlag voller Abscheu an. Doch mit der Zeit werdet Ihr erkennen, daß Euer Glück untrennbar mit meinem verbunden ist.«
»Also maßt Ihr Euch jetzt auch noch an, für mich zu sprechen.«
»Der Spott steht Euch schlecht und wird niemandem nutzen.«
Wut lag ihr wie ein schwerer Stein auf der Brust. »Spott?«
Ludovico blinzelte.
»Könnt Ihr Euch überhaupt ausmalen, wie sehr ich Euch verachte?«
»Ich habe es versucht«, antwortete er. »Und es ist mir nicht gelungen, aber jede Medaille hat zwei Seiten. Ihr könnt Euch auch nicht vorstellen, welche Qualen mir Eure Gegenwart bereitet.«
»Ihr beschuldigt mich, Euch zu quälen?«
»Ich konstatiere nur eine Tatsache. Ich habe Euch nicht darum gebeten, nach Malta zurückzukehren. Ich habe versucht, dies zu verhindern.«
Ein nur zu vertrautes Schuldgefühl regte sich schmerzlich in ihr. Sie hatte allen Menschen ihrer Umgebung nur Unheil gebracht.
»Ich habe versucht, mich von dieser Pein zu befreien«, sagte Ludovico. »Ich habe mein Fleisch gestraft. Ich habe Taten in Erwägung gezogen, die so grausam sind, daß ich in Euren Augen auf ewige Zeiten jenseits aller Vergebung wäre. Das würde mir zumindesteine Erlösung von meinen Qualen und eine Art Frieden bringen.«
Furcht breitete sich in ihr aus. Was die grausamen Taten betraf, so bezweifelte Carla seine Worte nicht.
Er fuhr fort: »Wenn ich davon abgesehen habe, diese Taten zu begehen, dann nur aus Furcht davor, Euch noch weitere Schmerzen zuzufügen.«
Ein Schaudern lief ihr über den Rücken. Sie straffte die Schultern, um ein Zittern zu unterdrücken.
Ludovico stand auf und zog den zweiten Stuhl näher an den seinen heran. »Kommt her und setzt Euch, bitte.«
Sie ging zum zweiten Stuhl und ließ sich nieder. Auch er setzte sich wieder. Einen Augenblick saß er so da, die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt, die Finger zur Faust geballt, mit gesenktem Kopf. Sie holte tief Luft. Er schaute zu ihr auf. Die tiefliegenden Augen waren
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