Das Sakrament
und der Hauptschlacht lag ein Fleckchen, in dem der Tumult nicht ganz so wild zu toben schien, und darauf hielt Tannhäuser zu. Niemand stellte sich ihnen in den Weg. Durch einen Engpaß erreichten sie schließlich den Strand, wo auf einer Meile Sand fünfzehntausend Männer kämpften.
Am Strand wimmelte es nur so von Türken, die sich verzweifelt bemühten, die Schiffe zu erreichen. An manchen Stellen war der Kampf bis ins flache Wasser vorgedrungen, und die Gischt schwappte blutrot um die Knie der Soldaten. Von den Langbooten aus, mit denen die Truppen zu den Galeeren gerudert wurden, lieferten sich Janitscharen einen Schußwechsel mit den Mangas an den Berghängen, und die Kanonen der Galeeren schleuderten ihre Ladungen auf die christlichen Pikenkämpfer. Die Schlacht würde noch stundenlang toben, doch Tannhäuser scherte sich nicht darum. Er drängte sein Pferd durch das Getümmel.
»Agasi sari bayrak« , schrie Tannhäuser, und die Ränge teilten sich, als sie sahen, daß er den blutüberströmten General hinter sich führte.
Am Saum des Wassers wurden drei Langboote beladen. Tannhäuserschwang sich vom Pferd und ging zu Abbas, der seine Augen vor Schmerzen zusammengekniffen hatte. Er ließ sich aus dem Sattel in die Arme Tannhäusers gleiten, der ihn durch das flache Wasser trug. Im Heck des Langbootes gewahrte Tannhäuser Salih Ali, dem man offensichtlich die Aufsicht übertragen hatte, denn er fuchtelte mit einer Pistole herum und bedrohte die Flüchtlinge, die sich im Wasser drängten und verzweifelt darauf aus waren, an Bord zu gehen.
»Salih!« rief Tannhäuser.
Der Korsar erkannte ihn sofort. Seine Augen weiteten sich, als er den General in voller Rüstung erblickte. Tannhäuser watete zum Dollbord.
»Stillt die Wunden des Aga«, sagte Tannhäuser. »Er ist für Euch ein Vermögen wert, wenn er überlebt.«
Salih tippte sich zum Gruß an die Stirn und half Tannhäuser, Abbas vorsichtig ins Boot zu legen. Dann brüllte er den Ruderern zu, daß sie sofort losmachen sollten, und sie schoben ihre Ruder ins Wasser.
Tannhäuser zog seinen Goldreifen vom Handgelenk und schmiegte die Löwenköpfe um Abbas’ Arm, dann ergriff er dessen Hand und drückte sie fest.
Tannhäuser sagte: »Ich komme nach Malta nicht für Reichtümer oder Ehre, sondern um meine Seele zu retten.«
Abbas erwiderte den Händedruck, aber seine Finger waren schwach. Er hob den Kopf und starrte Tannhäuser in die Augen.
»Mein Sohn«, sagte Abbas. »Hast du bei den Ungläubigen Rettung gefunden?«
»Ich habe Euch gefunden«, erwiderte Tannhäuser. »Und ich habe die Liebe gefunden. Das ist mir Rettung genug.«
Abbas sagte: »Dann kommst du nicht mit mir.«
Tannhäuser spürte, wie ihm ein Schmerz ins Herz schnitt. Er lächelte und schüttelte den Kopf.
»Nein, Vater, diesmal nicht.«
Abbas lächelte zurück. »Diesmal reise ich allein zum Goldenen Horn, ohne dich.«
»Im Geiste bin ich an Eurer Seite. Wie Ihr immer an meiner Seite wart.«
Abbas drückte ihm zum letzten Mal die Hand. Er sagte: »Astowda Okomallah .«
»Assalaamu alaykum« , erwiderte Tannhäuser. »Fiman Allah . «
Tannhäuser ließ seine Hand los, und Abbas sank in Salihs Schoß. Tannhäuser trat einen Schritt zurück. Er schaute dem Boot nach, das durch den blutigen Schaum fortruderte, mit Abbas bin Murad im Heck. Dann wandte er sich um, stieg auf Buraq und ritt durch die Menge zurück, den Strand hinauf, und ließ den letzten Kampf hinter sich. Er hatte noch eine eigene letzte Schlacht zu schlagen.
S AMSTAG , 8. S EPTEMBER 1565 – F ESTDER G EBURT
DER S ELIGEN J UNGFRAU M ARIA
Am Paß von Naxxar – Auf den Anhöhen des Corradino
An der engsten Stelle wurde die Bergstraße beinahe von Leichen versperrt. Die türkischen Verwundeten, die sich bis hierher geschleppt hatten, waren an Ort und Stelle niedergemetzelt worden. Nun durchsuchten spanische Fußsoldaten die Leichen nach Schmuck und Gold. Sie blickten auf, als Tannhäuser vorbeiritt, und ihre Gesichter strahlten, als wären sie Kinder beim Spielen. Als er durch den Engpaß auf die Ebene hinauspreschte, sah er drei Pferde ohne Reiter, die im Hitzedunst auf den sonnenverbrannten Wiesen grasten, und eine große Trostlosigkeit ergriff ihn. Der Hitzeschleier verzerrte die großen Tiere zu riesigen, unförmigen Gebilden, unbekannten Ungetümen, die aus seltsamen Teilen zusammengesetzt waren. Ein viertes Pferd war am Wegesrand angebunden, und zwei menschliche Wesen schienen sich an seineFlanke zu
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