Das Sakrament
wurde. Sie spürte, wie er sie mit der Hand am Arm faßte. Sie schaute ihn an. Seine Augen waren so klar, daß sie gar nichts aus ihnen ablesen konnte. Sie wußte nicht, was er in ihrem Gesicht sah, aber er schien es als Angst und Schrecken zu deuten.
»Diese Forderung ist eine große Unverschämtheit«, sagte er. »Und doch sind meine Beweggründe nicht unehrenhaft, nur raffgierig. Selbst der zarteste Hauch von Adel, den diese Vereinigung mir verleihen würde, wäre für meine Unternehmungen von unschätzbaremWert. Der Preis, den ich verlange, ist hoch, gewiß. Wenn man unser beider Stand in der Welt betrachtet, sogar übertrieben hoch. Das kann man jedoch auch von dem Risiko sagen, das mit Eurer Anfrage verbunden ist. Wir können vertraglich festlegen, daß ich keinerlei Anrecht auf Euer Eigentum und Euer Einkommen habe, auf das ich es nicht abgesehen habe. Des weiteren habt Ihr mein Ehrenwort, daß ich keinerlei unerwünschte Vorteile aus dieser Verbindung erzwingen werde.«
Die Freude, die in ihr aufgekommen war, verebbte. Es ging ihm um Geschäfte, sonst nichts. Sie waren im Wesen so verschieden wie im Stand, so verschieden, wie zwei Menschen nur sein konnten. Carla hatte trotzdem nicht das Recht, schlecht von ihm zu denken. Tatsächlich hatte sie niemals einen Mann mit größerem Respekt betrachtet. Als Gegenleistung für das, was er ihr anbot, war der Preis gering. Und doch: Etwas, das in der letzten Stunde zu neuem Leben erwacht war, welkte nun wieder dahin. Sie versuchte, ihre Stimme ruhig zu halten, hatte aber das Gefühl, daß sie nur kaltherzig wirkte.
»Ihr mißversteht die komplizierten Regeln des Adels«, sagte sie. »Eine Heirat würde Euch nur den Anschein eines Titels geben, mehr nicht.«
»Dürfte ich mich mit Fug und Recht Graf nennen – und darauf bestehen, als ›gnädiger Herr‹ oder ›Eure Exzellenz‹ oder mit sonst einer unterwürfigen Höflichkeitsfloskel angesprochen zu werden?«
»Ich glaube, ja.«
»Dann ist der Anschein mir ein Vermögen wert, ganz gleich, wie betrügerisch er sein mag, und ich werde es mehr als zufrieden sein.«
»Gut«, sagte Carla. »Mein Titel ist schon einmal in einem Handel verkauft worden. Diesmal habe ich wenigstens selbst die Wahl.«
»Dann sind wir uns einig?«
»Soll ich vom Anwalt einen Vertrag aufsetzen lassen?«
»Für den Augenblick reicht mir ein Handschlag.«
Tannhäuser streckte seine Hand aus. Der Knauf seines Schwertes hatte Schwielen in die Handfläche gegraben. Carla streckteihm ihre Hand entgegen, um sie zu ergreifen, als er seine zurückzog.
»Darf ich noch einen Zusatz zu unserem Vertrag anbringen?« In seinen Augen spiegelte sich Vergnügen.
Der Zauber, den er auf sie ausüben konnte, machte sie ärgerlich. »Ihr könnt es versuchen«, sagte sie.
»Bei unserer Rückkehr müßt Ihr mir wieder auf der Gambe vorspielen.«
Eine verwirrende Mischung von Gefühlen wallte in ihr auf. »Warum tut Ihr das für mich?«
Er runzelte die Stirn. »Weil ich den Handel für gerecht halte und mir einen Gewinn für mein Geschäft davon verspreche.«
»Ihr mögt ja meiner Intuition nicht viel zutrauen«, erwiderte sie, »aber ich habe das Gefühl, daß Ihr Euch mit einem tieferen Beweggrund in dieses Abenteuer stürzt als nur wegen einfacher geschäftlicher Überlegungen.«
Tannhäuser betrachtete sie einige Augenblicke. Er schien zu überlegen, wieviel mehr er noch von sich enthüllen konnte, und Carla spürte, daß in seinem Inneren ein Schmerz saß, der so tief war wie ihr eigener. Vielleicht noch tiefer. Wenn er sie jetzt in die Arme gerissen hätte, hätte sie sich nicht gewehrt.
Tannhäuser sagte: »Ich kannte einmal eine Mutter, die um ihr Kind kämpfte.«
»Das ist alles?«
»Diese Mutter hat den Kampf verloren«, fuhr er fort.
Carla wartete, doch Tannhäuser sagte über diese Sache kein weiteres Wort.
Er lächelte und zeigte dabei wieder einen abgebrochenen Zahn. Er streckte ihr die Hand hin.
Carla ergriff sie. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
Sie wünschte, sie hätten den Handel mit einem Kuß besiegelt.
D IENSTAG , 15. M AI 1565
Auf der Straße nach Messina – In der Taverne »Zum Orakel«
Tannhäuser ritt durch die Berge, die der Sonnenuntergang in violettes und goldenes Licht tauchte. Die Frauen in der Villa Saliba hatten ihm aufgelauert wie Jagdhunde, die ein Wild zur Strecke brachten, und doch war er zutiefst zufrieden.
Amparo war gewiß ein kostbarer Fund. Ihre große Anziehungskraft, um die sie nichts zu
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