Das Sakrament
zweiten Speer auf und wandte sich dem Hauptmann zu, der ihn starr vor Schreck anglotzte. Tannhäuser trat vor. Der Hauptmann griff mit seiner dicken, kleinen Hand nach der Pistole an seinem Gürtel, aber die stellte genausowenigeine Gefahr für Tannhäuser dar wie der angstvolle Furz, der seinem Hintern entfuhr.
»Denkt an Eure Frau«, gebot ihm Tannhäuser. »Denkt an Eure Kinder.«
Der Hauptmann nickte voller Angst. Tannhäuser setzte ihm die Speerspitze an den Hals und warf dann Bors den anderen Speer zu. Er zog dem Hauptmann die Pistole aus dem Gürtel. Es war ein prächtiges Exemplar, mit dem neuesten spanischen Steinschloß ausgerüstet. Genau die Waffe, die die Eitelkeit eines solchen jämmerlichen kleinen Mistkerls verlangte. Tannhäuser blies das Schwarzpulver aus der Zündpfanne und steckte die Waffe wieder in den Gürtel des Hauptmanns zurück. Er schaute an ihm vorbei und gewahrte Gasparo. Der Junge lag neben der Treppe auf dem Rücken, ein blutiges Loch mitten in der Brust. Er hatte große Treue bewiesen und war dafür gestorben. Tannhäuser mußte gegen eine schreckliche Wut ankämpfen, die in ihm aufwallte, ehe er sich wieder dem Hauptmann zuwandte. Die Kehle des Mannes bebte vor der Speerspitze, während er krampfhaft versuchte, zumindest einen Abglanz seiner früheren Autorität wiederzuerlangen.
»Mein Name ist …«
Tannhäuser schlug ihm den Handrücken ins Gesicht. Der schwere goldene Ring schlitzte dem Mann die Wange auf. »Deinen Namen kannst du für dich behalten«, sagte Tannhäuser. »Ich habe keinen Nutzen dafür.«
Der Hauptmann begann zu wimmern und kniff die Augen zusammen. Tannhäuser warf einen Blick über die Schulter zurück. Ein Büttel lag über dem Biertisch zusammengesunken, Gesicht und Bart flammendrot vor Blut. Der Bolzen der Armbrust hatte sich ihm durch ein Auge gebohrt. Tannhäusers Opfer lag zusammengekrümmt und keuchend auf dem Steinboden.
Tannhäuser wandte sich zum Alkoven. Dort stand der Priester und starrte auf den Boden, als könnte er sich dadurch unsichtbar machen.
Tannhäuser schaute auf Sabato Svi.
Der Jude saß auf Tannhäusers berühmtem Stuhl. Man hatteihm die Kiefer mit einer eisernen Birne auseinandergezwungen, die man ihm in den Mund gerammt hatte. Eine Schraube und ein Schlüssel am hervorstehenden Ende der Birne dienten dazu, ihren Durchmesser zu noch schmerzlicherer Größe zu erhöhen. Tannhäuser blickte nach unten. Sabatos Hände waren an die Armlehnen genagelt worden. Tannhäuser blickte in die dunklen Augen seines Freundes und sah, daß man ihm etwas aus der Seele gerissen hatte, etwas, das er sein Leben lang versuchen würde wiederzuerlangen, aber niemals zurückbekommen würde.
Tannhäuser wandte sich an Gonzága.
»Du, Priester«, sagte er. »Nimm ihm diese Scheußlichkeit aus dem Mund.«
Gonzága wagte nicht, den Kopf zu heben.
»Wenn ich auch nur einen leisen Seufzer von ihm höre«, fuhr Tannhäuser fort, »dann bezahlst du mir dafür.«
Gonzága nestelte an dem Rosenkranz, den er wie einen Gürtel umgebunden hatte, nach dem Kruzifix und murmelte irgend etwas auf Latein. Tannhäuser verspürte, wie ihn ob dieser Geste eine ungeheure Wut erfaßte. Mit Riesenschritten stürzte er durch den Schankraum. Der Speer wirbelte ihm in einem Halbkreis zwischen den Fingern. Als er sich Gonzága näherte, schaute der jämmerliche Inquisitor endlich auf.
»Habt Erbarmen, Eure Eminenz!« jaulte er. »Habt um Christi willen Erbarmen.«
Tannhäuser trieb dem Priester die Spitze des Speers durch den Spann seines linken Fußes. Gonzága kreischte auf und packte den Schaft mit beiden Händen. Tannhäuser riß ihm das Kruzifix weg, und ein Regen schwarzer Perlen prasselte auf den Fußboden.
»Bist stolz auf deine Grausamkeiten, nicht wahr, Priester?« Tannhäuser warf das Kruzifix auf den Steinboden. »Ich war dreizehn Jahre lang Türke. Und das hier ist noch gar nichts.«
Er trieb die Spitze des Speers weiter in die splitternden Fußknochen. Gonzága hatte keinen Atem mehr, um zu schreien. Sein Mund klaffte weit und tonlos auf. Seine bebenden Lippen verfärbten sich violett.
Tannhäuser packte ihn bei der Gurgel.
»Du hast noch nicht einmal den Anfang aller Grausamkeit verstanden. Aber jetzt bringe ich es dir bei.«
Er drehte den Speer aus der Wunde und trieb ihn durch Gonzágas anderen Fuß. Dem Inquisitor knickten die Knie ein, doch Tannhäuser hielt ihn fest. Eine verehrenswerte Lehre behauptete, ein Mensch sänke durch derlei grausame
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