Das Sakrament
begeben?« fragte er.
»Im richtigen Aufzug, der sich leicht beschaffen läßt, kann ich leichter als einer der Ihren durchgehen als hier unter euch Franken.«
»Und wenn man Euch gefangennimmt?« wollte Carla wissen.
»Inzwischen«, fuhr Mattias fort und überging ihre Frage, »überlasse ich es Euch, die Register der Verkündigungskirche, des Heiligen Hospitals und der Camerata zu durchforsten.«
»Was soll ich dort sagen?«
Mattias antwortete: »Sagt ihnen, daß Ihr den Knaben sucht, weil er unerwartet ein Erbe antreten soll.« Er schaute ihr auf den Mund, eine Angewohnheit, die er sich in letzter Zeit immer öfter gönnte. »Ein Erbe von beträchtlichem Wert. Ihr seid die Bevollmächtigte seines Wohltäters, dessen Vertrauen Ihr genießt und dessen Anonymität Ihr schützen müßt.« Er spreizte die Hände, als könnte nichts einfacher sein. »Dann erzählt Ihr keine einzige Lüge, setzt aber auch Euer Glück nicht aufs Spiel. Niemand wäre so ungezogen, die Worte einer frommen Edelfrau von solcher Würde und Gelassenheit anzuzweifeln.«
Seine strahlendblauen Augen wanderten beinahe gegen seinen Willen zu ihrem Hals und ihrem Dekolleté hin. Carla wußte, daß er sie begehrte und seine Hände in Gedanken bereits über ihren Körper strichen. Auch sie verspürte ein brennendes Verlangennach ihm. Daß sie auch seine lüsternen Blicke auf Amparo bemerkt hatte, verstärkte ihre Sehnsucht nur noch. Mattias erhob sich vom Tisch und rief Bors zu sich.
»Wir gehen auf die Bastionen, sehen uns die Söldner und die Freischärler dort einmal genauer an. Im Dunkeln enthüllen die Menschen oft bestimmte Gedanken, die sie im Tageslicht für sich behalten.«
Damit verließ er sie, und Carla konnte sich nur noch fragen, wie sich seine Hände wohl angefühlt hätten.
Am Samstag kehrte er von einem Erkundungszug zurück und brachte die Nachricht mit, daß eine Vorhut von dreitausend Türken, darunter auch eine Einheit von Janitscharen, in der Bucht von Marsaxlokk fünf Meilen südlich an Land gegangen war. Sie hatten das Dorf Zeitun gestürmt und zerstört und die Patrouille der Christen von der Flanke angegriffen, die nur nach dem bitteren Verlust einiger Ritter und einiger Gefangener entkommen war. Einer der von den Türken gefangenen Ritter war Adrien de la Rivière, den Carla einige Monate zuvor beherbergt hatte. Als sie sich nach seinem Schicksal erkundigte, erklärte ihr Mattias, der Mann würde nun von einem ausgewiesenen Könner gefoltert und dann mit einer Bogensehne erdrosselt werden. In jener Nacht schlief Carla schlecht. La Rivière war ihr als ein junger Mann von unzerstörbarer Vitalität und Höflichkeit erschienen. Sie fragte sich, was sie getan hatte, als sie ihre Gefährten in eine so gefährliche und grausame Welt brachte.
Am Sonntag sah sie Mattias überhaupt nicht.
Inzwischen war Mustafa Pascha, der türkische Oberbefehlshaber, mit dem größten Teil seines Riesenheeres in der Bucht von Marsaxlokk an Land gegangen. Die Türken schlugen ihr Lager auf der Ebene von Marsa westlich des Großhafens auf. Carla erfuhr von Bors, daß es erbitterte Debatten gegeben hatte, ob man den Türken erlauben sollte, ohne Gegenwehr zu landen. Doch La Valette, unterstützt von Mattias, hatte sich durchgesetzt. DieChristen waren zu wenige, als daß sie eine offene Schlacht am Strand hätten wagen können. Besser, man ließ die Türken vor die Festungsmauern rennen. Bei Einbruch der Dunkelheit konnte man die Wachfeuer der Janitscharen-Vorhut im Dorf Zabbar sehen, das über die sanften lehmfarbenen Hügel nur eine Meile von den Mauern der Stadt entfernt lag.
Amparo sprach in diesen Tagen nur wenig, nahm aber mit wachsamen Augen den Wirbel ringsum in sich auf und dachte sich dabei ihr Teil. Sie hatte sich darangemacht, den kleinen Garten hinter dem Haus zu neuem Leben zu erwecken. Sie verschwendete kostbares Wasser auf die dahinwelkenden Blüten. Zu ihrer Rechtfertigung brachte sie vor, wenn schon alle Menschen sterben würden, wie ihr mit Beharrlichkeit immer wieder versichert wurde, dann müßte sie zumindest versuchen, etwas Schönes als Erinnerung zu hinterlassen. In den ersten drei Tagen auf der Insel zeigte ihr Zauberglas ihr gar nichts, als hätte jemand einen Vorhang vor dieses Fenster zu den anderen Welten gezogen. Carla war darüber nicht betrübt, denn es hätten ohnehin nur freudlose Prophezeiungen sein können. Sie hatten auch nicht zusammen musiziert, da es nicht recht zur allgemeinen düsteren Stimmung
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