Das Sakrament
barfuß herum, und viele trugen kleine Waffen – Messer, Zimmermannsäxte, Hämmer, Knüppel –, die völlig ungeeignet zum Kampf schienen. Ihre Gesichter waren von der Sonne gebräunt und legten strahlend Zeugnis von einem kargen, harten Leben ab. Alle rührten Carla zutiefst, doch keiner von ihnen weckte in ihr das Gefühl, er könnte ihr Sohn sein.
Feierlich und furchtlos schritten die Ritter einher, denn sie waren die Märtyrer Gottes. Mönche in Rüstung liefen auf der Straße an Carla vorüber, als wäre sie kaum von größerer Bedeutung als ein Schmetterling. Jeder war mit den Gedanken an seine Pflicht und an seinen Platz im Kreise der Heiligen beschäftigt. Die maltesischen Männer blickten mit finsterer Miene auf die Sache. Verglichen mit den Rittern waren sie schlecht bewaffnet und gerüstet. Da ihre Zahl zehnmal so hoch war, hegten sie keinen Zweifel, daß sie auch in wesentlich größerer Zahl sterben würden. Wer Frau und Kinder hatte, beruhigte sie und machte sich dann zu seinem Posten auf. Diese Männer kämpften für viel mehr als Gott. Ihre Frauen hatten jedoch die größte Last zu tragen. Sie mußten die Furcht ihrer Männer besänftigen und ihre eigene für sich behalten. Sie lagerten Lebensmittel ein und tauschten untereinander Arzneien für Wunden aus. Sie machten ihr Herz bereit dafür, daß ihre Liebsten fallen oder verletzt werden könnten. Die Liebe war das zarte und geheime Gegengewicht zur alles überwältigenden Furcht.
Carla fühlte sich verloren. Ihre Bitte, im Hospital arbeiten zu dürfen, hatte man ihr abgeschlagen. Ebenso hatte man ihren Vorschlag abgelehnt, in der Intendantur zu helfen. Besonders für die letztere Aufgabe meinte sie geeignet zu sein, doch die Tatsache,daß sie in Aquitanien ein Gut, einen Weinberg, eine Kelterei und vierzig Pächter ohne fremde Hilfe verwaltet hatte, zählte hier nicht. Carla fürchtete, man würde ihr hier keine andere Rolle zuteilen als die, die sich die Ritter vorgestellt hatten: die einer eitlen, schwachen Frau, die man ernähren und beschützen mußte. Oliver Starkey hatte ihr sein eigenes kleines Haus auf der Majistral-Straße zur Verfügung gestellt. Es war karg eingerichtet und hatte unendlich viele Bücher. In ihrer Schlafkammer standen ein hartes Bett und ein Schreibtisch. Für Amparo wurde im Nebenzimmer ein Feldbett aufgestellt. Das Haus hatte eine Verbindung zur nebenan liegenden Herberge der englischen Zunge. Da diese Herberge seit langen Jahren leerstand, hatten Mattias und Bors sie mit Beschlag belegt.
Seit ihrer Ankunft hatte sie Mattias nur selten gesehen. Auf der Überfahrt von Messina hatte er Stunden im Gespräch mit Starkey und Giovanni Castrucco verbracht. Als sie an Land gingen, wußte er mehr über die militärische Lage, die Aufstellung der Ordenstruppen, die Vorräte und Moral des Ordens, die Nachrichtenverbindung nach Mdina und zu Garcia de Toledo als alle anderen Ritter, mit Ausnahme einer Handvoll Eingeweihter. Bei seiner Ankunft hatte La Valette ihn unverzüglich auf einen Rundgang über die Hauptmauer mitgenommen und ihm die möglichen Orte für die türkischen Stellungen gezeigt. An jenem Abend war Mattias mit zwei gedrungenen jungen Männern zurückgekommen, die eine Kiste mit Bienenwachskerzen, ein Viertelfaß Wein und vier gebratene Hühner trugen.
Sie aßen im Refektorium der Herberge. Mattias brachte die Kunde, daß die Türken im Norden vor Anker gegangen waren, in der Bucht von Ghain Tuffieha, die Carla gut kannte. Es hatte eine Alarmmeldung gegeben, daß die Türken Mdina angreifen würden, doch Mattias hielt dies für eine Finte und hatte La Valette empfohlen, sich nicht aus der Deckung locken zu lassen. Er besaß ein umfassendes Wissen über die Türken, und Carla spürte, wie stolz Tannhäuser auf ihre Tugenden und Kultiviertheit war undwelch melancholische Vorliebe er für ihre Sitten verspürte. Obwohl er sich nur widerwillig an diesem Krieg beteiligt hatte, war doch nicht zu übersehen, daß ihn das ungeheure Drama faszinierte, das sich nun entwickelte.
»Ich bin in gewisse Verpflichtungen hineingezogen worden«, sagte er. »Ich werde sehr viel zu tun haben, bis die Türken an Land gegangen sind und wir ihre Absichten besser kennen. Sobald ich meine Loyalität unter Beweis gestellt habe, kann ich tun und lassen, was ich will, denn nur als freier Mann bin ich La Valette von Nutzen.«
Das war für Carla ein wenig unverständlich, doch Bors kannte Mattias besser.
»Du willst dich unter die Heiden
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