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Das Sakrament

Das Sakrament

Titel: Das Sakrament Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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passen wollte. Ihre Instrumente lagen in Carlas Zimmer, die Kästen waren noch verschlossen.
    Als Mattias auf seinem Weg zur Eröffnung der Feindseligkeiten vorbeikam, lagen Carla und Amparo auf Knien in ihrem Garten und rupften Unkraut aus. Carla drehte sich um und sah ihn lächeln, als wäre ein so seltsamer Anblick für ihn die reinste Ermunterung.
    »Ich freue mich, daß Ihr Euch unseres jammervollen Besitzes mit solchem Schwung annehmt«, sagte er.
    Carla wischte sich den feinen Staub von den Händen und ging auf ihn zu. Ihr Herz raste beim Anblick seines Gesichtes und beim Klang seiner Stimme, und sie fragte sich, ob er das bemerkte.
    »Wir würden uns gern nützlicher machen«, erwiderte sie, »aber man erlaubt uns nur wenig. Pater Lazaro hat uns mitgeteilt, daß das Hospital ein weiterer Bereich ist, der nur den Männern vorbehalten ist. Man hat uns verboten, uns den Festungsmauern auch nur zu nähern.«
    »Wenn erst das Hospital auf die Straßen überbordet, wird Lazaro seine Meinung schon ändern.«
    Seine unbekümmerte Sicherheit, daß der Schrecken solche Ausmaße annehmen würde, untergrub ihre Freude.
    »Habt Ihr irgendeine Spur unseres Jungen gefunden?« fragte er.
    Es rührte sie, daß Tannhäuser von »unserem« Jungen sprach. Sie schüttelte den Kopf. »Niemand mit seinem oder einem ähnlichen Geburtsdatum ist in der Camerata bekannt. In der Verkündigungskirche sind die beiden Geburten, die dem Datum am nächsten kommen, eine Woche vorher und eine Woche nachher. Und beides waren Mädchen. Die Mönche im Hospital hatten zu viel zu tun, um meine Anfrage zu beantworten.«
    »Es wird schon einmal genug Zeit geben, doch je früher wir aus diesem Hexenkessel entfliehen, desto besser.«
    Sie standen nah beieinander, und eine Zeitlang sprach niemand ein Wort. Seine muskulöse Gestalt rührte Carla an, und sie spürte, wie sich ihr vor Angst der Magen zusammenkrampfte. Der Instinkt, sich vor ihm zurückzuziehen, stand im Widerspruch zu ihrem Herzen. Aus der Ferne erschallte ein kriegerisches Konzert: Trommeln, Trompeten und Sackpfeifen von fremdartigem Klang, die von traurigem Heldentum tönten. Zum erstenmal bekam Carlas Vorstellung von den Türken menschliche Züge. Auch Mattias hörte die Musik und legte den Kopf schief. Wieder verspürte sie Reue, weil sie ihn in einen Konflikt gelockt hatte.
    »Vergebt mir«, sagte Carla. »Ich habe den Tod wieder in Euer Leben gebracht.«
    »Der Tod ist einer meiner ältesten Bekannten. Macht Euch darüber keine Gedanken.«
    Tannhäuser neigte sein Gesicht zu ihr herunter, und ihr wurdeklar, daß er sie küssen wollte. Ehe sie dagegen ankämpfen konnte, ließ ein Instinkt sie abrupt den Kopf zurückreißen. Sie bedauerte es beinahe sofort, aber nun war es einmal geschehen. Ein halbes Leben lang hatte sie keinen Mann mehr geküßt, doch sie konnte Tannhäuser das schwerlich erklären und ihn bitten, es noch einmal zu versuchen. Er blinzelte und wandte sich ab. Er schien ungerührt, und es war, als hätte es diesen Augenblick nur in ihren Gedanken gegeben. Er rief Amparo etwas auf Spanisch zu.
    »Amparo, welche Neuigkeiten gibt es in Eurem Zauberglas?«
    Amparo schaute aus der Ferne zu ihm hin. Nachdem er sie gegen ihre Erwartung mit in das Gespräch einbezogen hatte, hellte sich ihr Gesicht auf, und sie eilte herüber. Sie schien sich mit Mattias wohler zu fühlen als mit jedem anderen Menschen, den Carla bei ihr gesehen hatte.
    »Das Glas bleibt dunkel«, sagte Amparo, »seit wir an Bord des Schiffes gegangen sind.«
    »Also haben uns die Engel verlassen«, erwiderte Tannhäuser mit sorglosem Lächeln. »Bei den Tausenden hier, die um ihre Hilfe flehen, ist das kein Wunder.«
    Amparo schien wegen ihres Versagens betrübt zu sein. Mattias munterte sie auf.
    »Ich habe von Euch eine Gunst zu erbitten, wenn ich darf«, fuhr er fort. »Es wird den ganzen Tag lang viel Getöse und Schüsse geben. Buraq ist nicht für den Krieg ausgebildet, er hat eine empfindliche Seele. Wenn Ihr ihm ein, zwei Stunden Gesellschaft leisten könntet, wäre ich Euch tief verbunden.«
    Amparo schwoll vor Stolz über diese Aufgabe die Brust. Ihre Augen glänzten voller Anbetung. In gleichem Maße wuchs Carlas Zuneigung zu Mattias, und erneut bedauerte sie, seinem Mund ausgewichen zu sein.
    »O gern«, sagte Amparo. »Buraq hat die edelste Seele.«
    »Alle Pferde sind edler als beinahe jeder Mensch, aber Buraq ist ein Prinz ohnegleichen«, stimmte ihr Mattias zu. »Ihr findet ihn in den Ställen

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