Das Sakrament
Festungsmauern entfernen. Sollte La Valette im Kampf fallen, dann wären die üblichen Wahlverfahren nicht möglich oder doch zumindest beinahe Selbstmord. Die Moral der Truppe würde aber verlangen, daß sofort ein neuer Großmeister eingesetzt wird. Unter solch schlimmen Umständen könnte man die ernsthaften Bewerber an einer Hand abzählen. Del Monte ist einer davon. Mit meiner Hilfe könnte er gewinnen.«
»Und wenn auch Del Monte tot ist?«
»Mathurin Romegas, der Galeerengeneral und ein großer Held, gehört ebenfalls zu den Kandidaten. Er ist vielleicht weniger gefügig als Del Monte, aber auch ein guter Sohn Italiens.«
Ghislieri legte die Fingerspitzen bedächtig aneinander und blickte auf den Tisch hinunter. Er machte sich Sorgen.
Ludovico meinte: »Das Kreuz wird nur denen auferlegt, die einen starken Rücken haben.«
Ghislieri hob die Augen. »Wenn La Valette in der Schlacht fällt. Und wenn es nicht in der Schlacht ist?«
Ludovico erwiderte: »Ihr solltet Euer Gewissen nicht mit solchen Gedanken belasten und auch nicht mehr darüber wissen. Alles, was ich benötige, ist Eure Erlaubnis, dem Ritterorden beizutreten.«
»Mein Segen, sollte ich ihn Euch erteilen, ist die geringste Eurer Sorgen. Der Eintritt in den Ritterorden ist ein Preis, der nicht leicht zu erringen ist. Um es deutlicher zu sagen: Sie werden kaum einen Inquisitor in ihren Reihen willkommen heißen.«
»Ich habe nichts getan, um mir ihre Feindschaft zuzuziehen, und genieße die Achtung von La Valette, denn ich habe ihm versprochen, mich beim Heiligen Vater für seine Sache zu verwenden. Noch zwei Schritte, dann habe ich ihre Zuneigung gewonnen. Der erste Schritt wäre ein deutlicher militärischer Beitrag zu ihrer Verteidigung.«
»Das liegt zu diesem Zeitpunkt nicht in der Macht Roms.«
»Aber nicht außerhalb der Möglichkeiten des spanischen Vizekönigs von Sizilien, Garcia de Toledo.«
»Toledo wird sich einschalten oder nicht, je nachdem, wie es seinen und Madrids Interessen paßt.«
»Genau. Im Augenblick sind die Risiken, die mit der Bereitstellung der großen Verstärkung verbunden sind, um die La Valette so dringend bittet, viel zu hoch. Ihr solltet es jedoch in Betracht ziehen, da ich sicher bin, daß Toledo es bereits gemacht hat. Wenn der Orden die Türken ohne fremde Hilfe besiegt, gehört der ganze Ruhm den Rittern allein. Wenn andererseits der Orden ausgelöscht würde, wäre ein türkisches Heer, das von einer harten Belagerung bis auf die Knochen zermürbt ist und tausend Meilen von der Heimat entfernt auf einer unfruchtbaren Insel gestrandet ist, eine verlockende Beute für ein Heer, das Toledo bis zumHerbst sicher in Sizilien aufstellen könnte. Das tragische Ende des Ordens, gefolgt von einer strahlenden Rückeroberung – das würde sicherstellen, daß Toledos Name in die Annalen der Geschichte einginge.«
»Ist er einer solchen Niedertracht fähig?«
»Er ist Kastilier.«
»Und Kaiser Philipp würde den Fall Maltas dulden?«
»Wenn er dadurch die spanische Oberherrschaft über die Insel erreichen könnte, warum nicht? Karl V. hat den Rittern Malta nur als Lehen übertragen, um sie nach ihrer Vertreibung von Rhodos aus dem Weg zu schaffen. Damals war die Insel völlig verarmt und nur von geringer strategischer Bedeutung. Das war vor vierzig Jahren – ehe Suleiman herangewachsen war, ehe Karl V. das Reich zwischen seinen Söhnen aufteilte und Luther die Christenheit spaltete. Seit die Ritter in Malta ihren Einzug hielten, wurde die Welt völlig auf den Kopf gestellt.«
Ghislieri schüttelte den Kopf. Er war noch nicht völlig überzeugt.
Ludovico fuhr fort. »Toledo zögert, weil der Verlust Maltas und der spanischen Mittelmeerflotte eine zu große Katastrophe wäre. Und was die Türken betrifft, so hat man mit ihnen schon viel zu viele derartige Katastrophen erlebt. Toledo wird sich zurückhalten und erst einmal sehen, wie der Wind weht. Doch wenn ich ihn überreden kann, eine kleine Verstärkungstruppe zu schicken, dann kann Toledo behaupten, sein Bestes getan zu haben, und La Valettes Ritter jubeln mir zu, Inquisitor hin oder her.«
Ghislieri wägte die Möglichkeiten ab. »Aber kann unser Orden die notwendigen Anreize bieten? Die Reichen zu bestechen ist eine teure Angelegenheit, deswegen bin ich ja noch nicht Papst. Toledo ist kein armer Schlucker, und die Raffgier der Spanier ist auch nicht bloß eine Mär.«
»Die Vorteile, Reichtümer und Reliquien, die im Ermessen des Heiligen Vaters
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